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- Thema Afghanistan -

- ab April 2002 -


Die Lage in Afghanistan

Peter SchwittekPeter Schwittek arbeitet seit vielen Jahren für die deutsch-afghanische Hilfsorganisation OFARIN und versorgt den LeineBlick seit Oktober 2001 mit ganz aktuellen Berichten aus Kabul, die sie alle in unseren Archiv auffinden können. Bemerkenswert sind auch seine Anmerkungen zur Krise nach dem Anschlag auf das World Trade Centre, die wir im September 2001 veröffentlichen konnten. Hier setzen wir die Reihe mit Berichten aus Afghanistan fort.
Seit neuestem finden Sie nun auch Artikel von Bundeswehr- Soldaten, die wir meist über das Bundespresseamt erhalten haben.

Inhalt:
9.5.2002
Bundeskanzler Gerhard Schröder besucht Afghanistan
5.4.2002
ISAF-Kräfte leisten Erdbebenhilfe in Afghanistan


Berichte bis März 2002
insbesondere:
Ein aktueller Einblick in die Arbeit von OFARIN

 


Wiederaufbau:
Bundeskanzler Gerhard Schröder besucht Afghanistan

Foto von Christian Stutterheim, Bundespresseamt
Der Bundeskanzler wird vom Vorsitzenden der Übergangsverwaltung Afghanistans, Hamid Karsai, mit millitärischen Ehren begrüßt
Berlin, den 10.5.2002, ws - Am  9. Mai 2002 fand der ofizielle Besuch des Bundeskanzlers in Afghanistan statt. Mit dem Besuch folgt Gerhard Schröder einer Einladung des Vorsitzenden der Übergangsverwaltung Afghanistans, Hamid Karsai. Im Mittelpunkt der Gespräche standen Fragen des Wiederaufbaus Afghanistans.

Das Programm des Bundeskanzlers begann am  Donnerstag Morgen auf dem deutschen Lufttransportstützpunkt in Termes in Usbekistan. Dort sprach er mit den stationierten deutschen Soldaten. Im Anschluss daran flog der Kanzler weiter nach Kabul, wo er zunächst Gespräche mit den deutschen Kommandeuren und Soldaten der Internationalen Schutztruppe ISAF führte.

Foto von Christian Stutterheim, Bundespresseam
Bundeskanzler Gerhard Schröder begrüßt afghanische Arbeiter, die im Auftrag des deutschen ISAF-Kontingents
Reparaturen im Feldlager durchführen 

Anschließend traf Bundeskanzler Schröder Hamid Karsai. Nach dem Gespräch nannte Karsai den Bundeskanzler einen "guten, guten Freund Afghanistans". Er würdigte vor der Presse das große Engagement Deutschlands in Afghanistan und bedankte sich für die Hilfe und die Zusammenarbeit.

Bundeskanzler Gerhard Schröder sagte darauf: "Ich bin gern gekommen als Freund des Landes." Er sei beeindruckt vom Wiederaufbau Afghanistans, vom Willen des afghansichen Volkes zum Wiederaufbau und von den Ergebnissen. Sowohl Karsai als auch der Bundeskanzler seien sich einig, dass dieser Wiederaufbau fortgesetzt werden müsse. Schröder forderte, die internationale Aufmerksamkeit für den afghanischen Wiederaufbau dürfe nicht nachlassen.

Foto von Christian Stutterheim, Bundespresseam
Bundeskanzler Gerhard Schröder betrachtet die  Zerstörungen in einem Kabuler Wohngebiet. Links im Bild ist die langjährige Miarbeiteri der Deutschen Botschaft, Irene Salimi, die während der Kriegswirren die Botschafts- Liegenschaften verwaltete und vor Plünderungen durch die Taliban bewahrte

Die Tatsache, dass er mit einer so bedeutenden Wirtschafts- Delegation nach Afghanistan gekommen sei, zeige das starke Vertrauen Deutschlands in den Willen des afghanischen Volkes zum Wiederaufbau, erklärte Schröder weiter. Außer einer Wirtschaftsdelegation begleiten den Bundeskanzler als Sondergäste der Vizepräsident des Deutschen Fußballbundes, Franz Beckenbauer, sowie der Intendant der Deutschen
Welle, Erik Bettermann.

Zudem würdigte der Bundeskanzler den "großartigen Job", den die Bundeswehr innerhalb der ISAF in Kabul leistet. Schröder und Karsai seien sich einig, dass das ISAF-Mandat verlängert werden müsse. Es bestehe aber keine Absicht, dass Engagement innerhalb der ISAF räumlich über Kabul hinaus auszudehnen. Das jetzige Mandat ist bisher bis zum 20. Juni 2002 begrenzt.

Bundeskanzler Schröder führte außerdem in Kabul ein Gespräch mit dem UN-Sondergesandten Lakhdar Brahimi.

Foto von Christian Stutterheim, Bundespresseam
Am Donnerstagnachmittag besuchte der Kanzler den ehemaligen König Afghanistans, Mohamad Zahir Schah (rechts im Bild), die von Deutschland geförderte Polizei- Akademie sowie eine Mädchenschule und ein Minen- Räumzentrum.

Foto von Christian Stutterheim, Bundespresseam
Bundeskanzler Gerhard Schröder wird von einer Mädchen- Klasse der Jamal Mina Girls School herzlich begrüßt.

Am Donnerstagnachmittag fliegt der Kanzler dann nach Taschkent, wo er am Freitag eine Begegnung mit dem usbekischen Präsidenten Islam Karimow hatte.

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ISAF-Kräfte leisten Erdbebenhilfe in Afghanistan:
Nach 320 Kilometern und 36 Stunden Fahrt über den Hindukusch operieren unsere Ärzte das erste von 100 Erdbebenopfern

Wir verlassen Kabul, Camp Warehouse, am 27. März gegen 15:30 Uhr. Wir, das sind 128 Mann mit 41 Fahrzeugen. Unser Auftrag: Hilfe für die Erdbebenopfer in NAHRIN, einer Gemeinde in der Provinz Baghlan, 320 Kilometer nördlich von Kabul.

Dort hat am Abend des 25. März die Erde gebebt. Etwa 750 Menschen wurden getötet oder verletzt, nahezu 70.000 wurden obdachlos. Die Vereinten Nationen organisieren die internationale Hilfe. ISAF stellt nach Genehmigung durch die nationalen Regierungen unter anderem Truppenkontingente aus Deutschland, den Niederlanden und Dänemark für die Erste Hilfe vor Ort zur Verfügung.

Das Vorauskommando, bestehend aus zwölf Soldaten Deutschlands, Norwegens und des Vereinigten Königsreiches, hat vorrangigen Bedarf an Ärzten und Kampfmittelbeseitigern gemeldet. Entsprechend sind nun die Hauptkräfte zusammengesetzt: Neben dänischen EOD (Explosive Ordonance Disposal) und niederländischen Sicherungskräften brechen vier Ärzte, darunter je ein Chirurg und Anästhesist, sowie acht Rettungsassistenten nach Norden auf.

Die Marschstrecke hat es in sich: Mit dem Salangpaß auf gut 3.500m Höhe queren wir den Hauptkamm des Hindukusch durch der Welt höchstgelegenen Autotunnel. Die gesamte Streckenführung bezeugt höchste sowjetische Ingenieurskunst der sechziger Jahre des 20.Jahrhunderts, der Straßenzustand aber nach mehr als 20 Jahren Krieg: Intakte Brücken existieren so gut wie nicht. Furten und teils abenteuerliche Behelfsbrücken ersetzen sie. Schotter, Steigungs- und
Gefällstrecken verlangen Militärkraftfahrern wie Fahrzeugen
Höchstleistungen ab.

Unsere niederländische ATP (Advanced Tactical Party, hier: Spitzenzug) meldet: Tunnel dicht. Mehr als 40 LKW versperren die Durchfahrt. Einige haben sich verkeilt, sind ausgefallen oder die Fahrer schlicht nicht auffindbar. In stundenlanger mühevoller Arbeit wird der Tunnel frei geräumt.

In den Galerien und im Haupttunnel erwarten uns bizarre Eindrücke: Meterhohe Schneewehen, wahre Eisgebirge, herabgestürzte Deckenteile, Sprengtrichter, grundlose Schlaglöcher und vor allem ein atemberaubendes Abgasgemisch, dass Sicht und Luft nimmt. Als wir am
Ausgang des Haupttunnels das erste Tageslicht erblicken, liegen für jeden von uns die längsten drei Kilometer seines Lebens hinter sich.

Gegen 06:00 Uhr des 28. März liegen die Passhöhe hinter uns, 13 Stunden Fahrt und 100 Kilometer zurückgelegter Strecke. Auf der Nordseite des Salangpasses erwarten uns neben Schnee und Sonnenschein weitere Staus, dann aber der Frühling. Verließen wir am Vortage noch die braune Halbwüste des Kabuler Hochtales, so ziehen jetzt Reisterrassen, blühende Mandelbäume und saftiggrüne Wiesen vorbei. Der Wechsel könnte überraschender nicht sein.

In Pol-e Komhri, der zweitgrößten Stadt der Provinz Baghlan, stehen Tausende Menschen Spalier und empfangen jubelnd den Konvoi. Es dauert einige Zeit, ihnen klar zu machen, dass wir nicht auf Dauer zu ihrem Schutz, sondern zeitlich befristet zur Erdbebenhilfe in ihrer Provinz bleiben werden. Ihrer Begeisterung tut das keinen Abbruch.

Die letzten vierzig Kilometer von Baghlan Stadt nach Nahrin verlangen von den Männern nochmals höchste Konzentration und fahrerisches Können. Es geht auf unbefestigten Trassen durch eine bizarre Landschaft aus Lößbergen und Schlammlöchern. In Afghanistan gebe es eben keine Straßen, sondern nur Richtungen, kommentiert einer unserer einheimischen Dolmetscher trocken.

Nach 320 Kilometern und 36 Stunden Fahrt erwarten uns im zukünftigen Feldlager Nahrin um 03:30 Uhr des 29. März die Kamerascheinwerfer des ZDF. Nach zweieinhalb Stunden Schlaf geht es an den Aufbau des Feldlagers und die Erkundung zerstörter Dörfer. Um 09:00 Uhr operieren
unsere Ärzte das erste von etwa 100 Erdbebenopfern.

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Lesen Sie zum Hintergrund von OFARIN auch den ZEIT-Artikel von Peter Schwittek: 
Mathe gegen Taliban

 

ältere Berichte aus Afghanistan

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