Essay & Reportage im
www. LeineBlick.de
- ab September 2001 -

Anmerkungen zur Krise nach dem Anschlag auf das World Trade Centre
A view from Afghanistan
Afghanische Perspektive
Reaktion der Bundesregierung auf die Rede von US-Präsident Bush
 

Artikel aus der ersten Hälfte von 2001


Anmerkungen zur Krise nach dem Anschlag auf das World Trade Centre
- von Peter Schwittek -
Peter SchwittekGarbsen, den 24.9.2001 - Peter Schwittek (Bild) kennt Afghanistan seit ca. 30 Jahren. Immer wieder arbeitete er seit damals sowohl in Kabul als Dozent für Mathematik als auch an wechselnden Orten für die verschiedensten Entwicklungshilfe- Projekte. Es darf sicherlich ohne Übertreibung behauptet werden, dass Schwittek zu den wenigen Kennern Afghanistans und seiner Bewohner gehört, die es bei uns gibt.
Die Redaktion des LeineBlicks empfindet es als Ehre, ihren Leseren einen Aufsatz dieses Fachmannes bieten zu können.
Wolfgang Siebert 
August 1998 im Fernsehsender CNN: Der amerikanische Verteidigungsminister Cohen tritt ernst und gefasst ans Rednerpult und verkündet, dass man Cruize Missiles auf Ziele im Sudan und in Afghanistan abgeschossen habe. In Afghanistan habe man ein Camp des Terroristen Osama bin Laden zerstört. Bin Laden habe man nicht getroffen. Aber die Infrastruktur seiner Organisation sei weitgehend zerstört worden. 

Das war der Gegenschlag auf Bombenangriffe auf die US-Botschaften in Dar-es-Salam und Nairobi. Der Verteidigungsminister stellte dann noch einige Herren der „Security-Community“ vor, und diese erläuterten Details des Angriffs und die weiteren Planungen des Vorgehens gegen den als Drahtzieher identifizierten Araber. All‘ diese Herren strahlten einen tiefen Ernst aus. Die Gediegenheit ihres Auftretens, ihr solides Fachwissen - und dabei stets mit im Bild das Sternenbanner - das mußte allen Amerikanern die Sorgen vor dem nehmen, was nach den Anschlägen in Ostafrika noch alles kommen könnte. Diese kompetenten Männer würden jeden Schaden von der Nation abwenden. Der Feind existierte noch. Aber er war erkannt. Man hatte ihn in Afghanistan lokalisiert und isoliert. Er konnte nichts mehr anstellen. Seine endgültige Ausschaltung war nur noch eine Frage der Zeit. 

Spätestens heute wissen wir, dass diese Fernsehinszenierung eine glänzende Show war. Sie täuschte die Menschen über die Unfähigkeit der Kriegsmaschine und der „Security Community“ hinweg, ihr Land vor dem Terrorismus zu schützen. Aber schon damals waren Zweifel berechtigt. 

Das zerstörte Camp bestand aus einigen Lehmhäusern, die man in vier Wochen für lächerliche Kosten wieder aufbauen konnte. In diesen Häusern waren durch die Raketen ein bis zwei Dutzend pakistanische Fanatiker umgekommen. Das Tausendfache an Zulauf von Novizen verzeichneten in den Wochen darauf die Moscheen, in denen radikale Mullahs Anhang für den Kampf um die Macht in Pakistan sammeln und ausbilden. Viele Menschen in den Slums der Städte und in den Dörfern Pakistans faßten wieder Mut. Seit Jahrzehnten hatten sich ihre Lebensumstände nicht verbessert. Der Kommunismus hatte ausgespielt und bot keine Perspektiven mehr. Nach der Ermordung des Militärmachthabers Zia-ul-Haq hatte die Rückkehr zur Demokratie bei vielen Pakistanern Hoffnungen aufkeimen lassen. Sie wurden durch vollkommen korrupte Regierungen bitter enttäuscht. Jetzt gab es nur noch eine Verheißung: Den politischen Islam. Und der amerikanische Verteidigungsminister Cohen hatte dieser Bewegung in seiner Fernsehshow ein Idol beschert: Osama bin Laden.

Bis dahin war dieser Name nur Fachleuten bekannt. Jetzt erklärten ihn die radikalen Mullahs in Pakistan zum Bannerträger des Jehad gegen die von den USA vertretene Weltordnung. Pakistan, das wenige Monate zuvor seine erste Atombombe gezündet hatte, war in gefährlicher Weise destabilisiert worden. 

Osama bin Laden selber befand sich in Afghanistan. In diesem Land hatten sich 1978 die Kommunisten an die Macht geputscht. Anderthalb Jahre später war die Sowjetunion mit eige-nen Truppen einmarschiert. Die  Bevölkerung Afghanistans hatte sich gewehrt und die Kontrolle über weite Teile ihres Landes gegen afghanische und russiche Kommunisten behauptet. Dieser Widerstand wurde bald vom Westen und von arabischen Ländern mit Geld, Waffen und humanitärer Hilfe unterstützt. Die militärische Hilfe lief ganz über Pakistan. Pakistan verteilte den Waffensegen. Pakistanisches Militär bildete die afghanischen Widerstandskämpfer an leichten Flug- und Panzerabwehrwaffen aus. Pakistan entschied darüber, welche afgha-nische Widerstandsorganisation groß und einflußreich wurde. Es sorgte dafür, dass der afghanische Widerstand, „die Muhjaheddin“, untereinander zerstritten blieb und nicht allzu effektiv wurde. Sonst hätte er auch Pakistan, in dem damals einige Millionen afghanischer Flüchtlinge lebten, gefährden können. Dennoch zog sich die Sowjetunion 1989 aus Afghanistan zurück und brach knapp drei Jahre später in sich zusammen. Der Widerstand der Afghanen hatte das Selbstverständnis der sowjetischen Kommunisten stark beeinträchtigt und den Zerfall des Imperiums beschleunigt.

Im eigenen Land waren die Mujaheddin weniger erfolgreich. Das kommunistische afghanische Regime hielt sich sogar noch ein paar Monate länger als das sowjetische. Als die Kabuler Kommunisten im Frühjahr 1992 auch aufgaben, brach der Krieg der Mujaheddin untereinander offen aus. Die Hauptstadt Kabul, die vollkommen intakt an die Mujaheddin gefallen war, wurde 1993 und 1994 in den Machtkämpfen der Häuptlinge des ehemaligen Widerstan-des weitgehend zerstört. 1994 betrat in der Stadt Kandahar, die ebenfalls sehr unter den Machtkämpfen der Mujaheddin gelitten hatte, erstmals die Bewegung der „Taliban“ den Bürgerkriegsschauplatz. Die Taliban eroberten in den darauf folgenden Jahren den größten Teil Afghanistans. Reste der Mujaheddin unter der Führung des glänzenden Militärs aber mise-rablen Politikers Ahmad Shah Massud hielten sich nur im Nordosten des Landes. 

Die Taliban entwaffneten die Bevölkerung. Das erhöhte die innere Sicherheit und diente der Machterhaltung der neuen Herren. Die Taliban setzten in alle Entscheidungspositionen Geistliche ein. Mit rigorosen Bestimmungen, die sie als „islamisch“ bezeichneten, griffen sie in alle Lebensbereiche der Menschen ein. Frauen dürfen sich nur vollkommen verschleiert und in männlicher Begleitung außerhalb ihrer Häuser und Wohnungen zeigen. Berufstätigkeiten sind ihnen verboten. Nur das Gesundheitswesen bildet eine Ausnahme. Die Mädchenschulen wurden geschlossen. Männer müssen ungepflegte Bärte und traditionelle Kleider tragen. Alle Spiele, die Musik, das Fernsehen und das Fotografieren wurden verboten. Eine spezielle Religionspolizei wurde geschaffen, die auf offener Straße auf jeden mit Knüppeln und Stromkabeln einschlägt, der die Bestimmungen nicht einhält. Diese Regeln gingen weit über alles hinaus, was in der traditionellen Religionsausübung der Afghanen üblich war. Sie beeinträchtigten vor allem das Leben in den Städten. Auch haben die Taliban schwere Massaker an der Zivilbevölkerung verübt. Die Menschen sollten davor abgeschreckt werden, den Kriegsgegner zu unterstützen.

Von Anfang an unterstützte der ungeliebte Nachbar Pakistan die Taliban mit Waffenlieferungen und Militärberatung. Es gab auch immer wieder Meldungen über den Einsatz regulärer pakistanischer Truppen auf Seiten der Taliban. Außerdem unterstützten radikal- islamistische pakistanische Parteien die Taliban mit Tausenden pakistanischer Freiwilliger, die sich aus Überzeugung oder aus wirtschaftlicher Not im afghanischen Bürgerkrieg verheizen ließen. Diese Hilfe leistet „Pakistan“ ganz unkoordiniert. Die Unterstützung seitens der pakistanischen Streitkräfte geht vor allem vom Geheimdienst ISI aus. Die gewählten pakistanischen Regierungen der Benazir Bhutto und des Nawaz Sharif hatten keine Einflußmöglichkeiten auf diese Machenschaften. Und man muß befürchten, dass auch der jetzige Militärherrscher General Parvez Musharaf nicht stark genug ist, um die Einmischung von Teilen seines Militärs im Nachbarland zu unterbinden. Die radikalen Parteien, die das Kanonenfutter für die Schlachtfelder Afghanistans liefern, streben in Pakistan selber nach der Macht. Sie wollen durch Erfolge in Afghanistan ihren Einfluß in der Heimat stärken. Außerdem erhielt Afghanistan die Unterstützung Saudi-Arabiens. Nur Pakistan, die Vereinigten Arabischen Emirate und die Saudis haben das Regime der Taliban als rechtmäßige Regierung Afghanistans aner-kannt. Doch der Führer der Talibanbewegung, Mullah Omar, beleidigte das saudische Königshaus wegen seiner Abhängigkeit von den USA. Darauf schloß Saudi-Arabien seine Botschaft in Kabul und gewährte den Taliban keine staatliche Hilfe mehr. Allerdings gibt es reichlich Unterstützung von privater arabischer Seite, insbesondere auch von Osama bin Laden. Vor allem in diesem Jahr sind sehr viele Araber nach Afghanistan gekommen. Inwiefern diese arabischen Unterstützer der Taliban Gefolgsleute Osama bin Ladens sind, ist unbekannt. Auf jeden Fall sind die Taliban sehr abhängig von diesen ausländischen Helfern geworden. Ihr Land ist zu arm, um die Bürde des Bürgerkrieges allein zu tragen. Die Möglichkeiten, junge Männer in Afghanistan zu rekrutieren, sind weitgehend erschöpft. Zu viele sind schon gefallen und die Bevölkerung sperrt sich dagegen, weitere ihrer Söhne abschlachten zu lassen.

Die Talibanherrschaft ist bei der afghanischen Bevölkerung äußerst unbeliebt. Die penetranten religiösen Gängelungen, die Rekrutierungskampagnen, die ineffektive politische Führung wird nur mit Murren ertragen. Die Unterstützung durch die verhaßten Araber und Pakistaner und die sonstige internationale Isolierung ihres Landes empfinden die Afghanen als nationale Schande. Aber man ist kriegsmüde und man hat keine Mittel, um sich gegen die Taliban auf-zulehnen. Zuviele Menschen mit Unternehmungsgeist und Organisationstalent haben das Land verlassen. Und man befürchtet, dass nach einem Sturz der Taliban wieder ein Kampf jeder gegen jeden ausbrechen könnte, wie nach dem Sturz der Kommunisten. Angehörige des Volkes der Paschtunen, der größten ethnischen Gruppe Afghanistans, haben Angst, dass die Vorherrschaft ihres Volkes, die durch die Talibanbewegung wiederhergestellt worden ist, abermals verloren gehen könnte.

Osama bin Laden, ein Milliardär jemenitischer Abstammung, hatte schon an der Endphase des Krieges gegen die Sowjetunion teilgenommen. Die CIA hatte dem Begehren des pakistanischen Geheimdienstes nach langem Zögern zugestimmt, radikale Freiwillige aus anderen islamischen Ländern in den Krieg gegen die Kommunisten einzubinden. Militärisch waren diese Kämpfer unerheblich. Heldentaten, die Osama zugeschrieben werden, dürften Legenden sein, ebenso wie Behauptungen, der Mann sei von den Amerikanern zu einer Schlüsselfigur aufgebaut worden. Die Amerikaner unterstützten die afghanischen Mujaheddin materiell, aber die Einzelheiten der Versorgung und Einflußnahme auf den afghanischen Widerstand überließen sie den Pakistanern. Um die ausländischen Freiwilligen dürften sie sich kaum gekümmert haben. 

Diese kamen in den achtziger Jahren vor allem aus arabischen Ländern wie Ägypten oder Algerien. Saudi-Arabien förderte sogar den Export radikal denkender Landeskinder, um im eigenen Land das umstürzlerische Potential zu vermindern. Die islamischen Brüder der Afghanen saßen in Pakistan und Afghanistan in Camps und brüteten einen archaischen Islamismus aus, der sich bald gegen die Führungen in den eigenen Heimatländern und dann auch gegen den Westen richtete. In der Etappe in Pakistan machten sie durch Übergriffe auf Mädchen und Frauen von sich reden. Die saudischen Araber waren stets darum bemüht, Ihren Gastgebern die speziell saudi-arabische Ausprägung des Islam, den Wahabismus, aufzunötigen. Sie waren trotz des Geldes, das sie aufbieten konnten, sehr unbeliebt.

Auch Osama scheint sich damals zu einem Feind des Westens und des saudischen Regimes gewandelt zu haben. Er wurde in Arabien zur persona non grata erklärt, weil der die Abhängigkeit des Landes von den USA gegeißelt hatte. Dennoch scheint er im saudischen Königshaus einige Gönner zu haben. Er hielt sich eine Zeit lang in anderen Ländern auf und kehrte nach Afghanistan zurück, wo ihn die Regierung der Mujaheddin willkommen hieß. Als die Taliban ihre Gegner in den Nordosten Afghanistans abdrängten, arrangierte er sich mit den neuen Herrschern und unterstützte diese.

Nach den Anschlägen auf die US-Botschaften in Ostafrika verlangten die Vereinigten Staaten von den Taliban die Auslieferung bin Ladens. Die Taliban verweigerten das mit der Behauptung, dass der Araber unschuldig sei, denn er enthalte sich in Afghanistan jeder politischen Aktivität. Das widerlegte bin Laden nach den Raketenangriffen auf Khost, indem er einen Aufruf veröffentlichte und die islamische Welt zum Dschehad gegen die USA aufrief. Das war dem Talibanführer Mullah Omar zuviel. Er rügte bin Laden öffentlich dafür, dass er sich nicht an sein Abstinenzversprechen gehalten habe. Die USA forderten die Taliban noch einige Male vergebens auf, Osama auszuliefern. Schließlich erwirkten sie, dass die Vereinten Natio-nen ein Handelsembargo über Afghanistan verhängten, das in seinen Wirkungen sehr bescheiden ist. 

Als dann die furchtbaren Anschläge am 11. September geschahen, war sich die „US-Security Community“ wieder sehr schnell sicher, dass alles das Werk Osama bin Ladens war. Zwei Tage zuvor hatten arabische Selbstmordattentäter den militärischen Führer der afghanischen Opposition, Ahmad Shah Massud, umgebracht. Diese Fast-Koinzidenz der Ereignisse spricht dafür, dass arabische Kreise in Afghanistan an der Rahmenplanung des Anschlages auf das Word Trade Center beteiligt waren, auch wenn keine inhaltlichen Zusammenhänge zu erken-nen sind. Aber die Detailplanung des Verbrechens in den USA war von Afghanistan aus unmöglich. Planung und Ausführung erforderten ein ganzes Netz von „Fachleuten“ in den USA. Da sich in den achtziger Jahren die Mehrheit der Internationale der radikalen Moslems in Afghanistan aufhielt, dürfte es in vielen Gruppen radikaler Moslems den einen oder anderen geben, der jemanden kennt, der Osama kennt. Aber selbst wenn bin Laden mit den Anschlägen auf New York und Washington etwas zu tun haben sollte, ist es eine Illusion zu glauben, dass die Ausschaltung bin Ladens ein wesentlicher Schlag gegen den Terrorismus wäre.  Diejenigen, die zu terroristischen Aktivitäten bereit sind, sind zahlreich. Es gibt genug davon in den USA, in Kanada oder in Europa. Sie sind in der Lage, selbständig Anschläge zu planen und durchzuführen. Sie brauchen dazu keine Ratschläge aus den kahlen Gebirgen Afghanistans. Auch die Motivation beziehen sie nicht von dort. Es ist aber nicht auszuschließen, dass bin Laden die Anschläge mitfinanziert hat.

Zur Motivation, d.h. zur Radikalisierung der Islamisten in Pakistan, hat im letzten Jahr die Entwicklung in Israel und Palästina entscheidend beigetragen. Auch die Moslems sind bereit hinzunehmen, dass die USA die einzige verbliebene Weltmacht sind. Allerdings verlangen sie, dass die Amerikaner ihre Macht unparteiisch einsetzen. Stattdessen, meinen die Moslems, kann sich die Regierung Sharon unter dem Schutz der USA nach Belieben ausleben. Dieser Eindruck wurde dadurch verstärkt, dass die Regierung Bush im Gegensatz zur Regierung Clinton gar nicht mehr versuchte, Einfluss auf die Geschehnisse im Nahen Osten zu nehmen. Man war sich sicher: In Palästina und im heiligen Jerusalem tragen die USA dazu bei, dass die Muslime mit grausamen Mitteln aller ihrer Rechte beraubt werden. Viele Muslime in aller Welt fühlten sich in ihrer islamischen Identität bedroht. Aber weder friedliche Mittel noch ein konventioneller Krieg konnten diese Entwicklung aufhalten. Was tut man in solch einer Lage?

Vor einem knappen Jahr wollte ein in Islamabad ansässiger Freund zum Scherz ein Plakat, das bin Laden verherrlicht, haben. Er fragte mich, ob ich nicht eins in dem viel radikaleren Peshawar besorgen könne. Ich bat einen afghanischen Kollegen, sich im Basar umzusehen. Er kam nach langem Suchen wieder und brachte lediglich ein sehr kleines Poster mit, das Osama auf einem weißen Pferd zeigt, wie er Kampflugzeuge und Panzer mit einem Schnellfeuergewehr vernichtet. Sonst war nichts zu finden. Der Kollege berichtete, dass ihn der Auftrag in Verlegenheit gebracht habe. Sobald er einem Ladeninhaber sein Anliegen vortrug, seien Passanten stehen geblieben und hätten ihn kopfschüttelnd angesehen.
In den Tagen vor den Anschlägen in den USA wurden T-Shirts, die den Helden des islamischen Jehad priesen, in Peshawar von Händlern auf der Straße angeboten. Das Klima hatte sich wesentlich verändert.

Die Afghanen berührten die Entwicklungen in Palästina kaum. Sie erinnerten sich an die Reaktionen der arabischen Brüder auf die Besetzung ihres Landes durch die Sowjets. Yassir Arafat und Saddam Hussain hatten den Einmarsch der Russen begrüßt. Heute haben die Afghanen wenig Mitgefühl mit ihren Moslembrüdern. In den islamistischen Terrorgruppen, die jetzt genannt werden, sind praktisch keine Afghanen zu finden.

Die Bevölkerung Afghanistans, die Taliban, Osama bin Laden – das ist alles andere als eine Einheitsfront. Die Bevölkerung hat von den Taliban längst genug. Die pakistanischen und arabischen Helfer der Taliban sind verhasst. Die Taliban brauchen Osama, aber sie fürchten ihn als eine Kraft, die sie kaum kontrollieren können. Und die Taliban selber sind alles andere als eine homogene Bewegung. 


Mädchenklasse in Logar

So war es unserer in Afghanistan tätigen Hilfsorganisation in den letzten Jahren gelungen, ein großes Schulprogramm für Jungen und Mädchen in der Stadt Kabul aufzubauen und dafür die wohlwollende Billigung der Taliban-Regierung zu erhalten. Das war trotz der offiziellen Schließung der Mädchenschulen möglich, weil viele führende Mitglieder der Talibanbewegung bereit waren, das zu vertreten, was sie für ihr Land für richtig hielten, auch wenn es nicht in die offizielle Linie passte. Man konnte mit vielen führenden Taliban durchaus vertraulich sprechen. 

Leider wurden diese Möglichkeiten insbesondere von den USA, aber auch von der UNO, die eigens ein Büro (UNSMA) für die Kontakte zu den Bürgerkriegsparteien unterhält, nicht genutzt. Wenn UNSMA und Taliban überhaupt miteinander sprachen, dann wurden offizielle Formeln ausgetauscht. Die Talibanführung blieb für westliche Diplomaten eine unbekannte Struktur. Man weiß kaum, welcher der Minister des Kabinetts einflussreich ist, welcher aufgeschlossen und welcher borniert ist. Man weiß nicht, welche Kräfte die führenden Personen stützen. Es wäre mit Sicherheit möglich gewesen, mehr über die Talibanführung zu erfahren. Man hätte durch behutsame Kontakte durchaus Einfluss auf die Politik der Taliban nehmen können. Und es hätten auch ein paar inoffizielle Kanäle geschaffen werden können, über die man jetzt versuchen könnte, das Schlimmste zu verhindern.

Dagegen war es ein aussichtsloses Unterfangen, die Auslieferung Osamas durch offizielle Forderungen anzustreben. Vermutlich hat der Araber den Taliban manchmal solche Kopfschmerzen bereitet, dass sie ihn gerne losgeworden wären. Aber die Auslieferung eines Gastes ist eine ganz schwere Verletzung fundamentaler Verhaltenspflichten für einen Afghanen. Die Taliban würden jedes Ansehen verlieren und sich politisch entscheidend schwächen. Wenn die USA die Auslieferung Osama bin Ladens tatsächlich anstrebten, hätten sie eine entsprechende Forderung niemals öffentlich an die Taliban richten dürfen. Ein hochrangiges Mitglied der Taliban hat mir einmal erklärt: „Wenn Du einen Afghanen zwingen willst, mit Dir ins Paradies zu gehen, wird er sich wehren und es nicht tun. Wenn Du ihn dagegen in aller Freundschaft bittest, mit in die Hölle zu kommen, so geht er mit.“

Die USA stehen vor einer schweren Entscheidung. Untätigkeit würde von den radikalen Islamisten als Schwäche ausgelegt werden. Der Auftrieb, den diese dadurch erhielten, könnte ausreichen, um in Pakistan einen Umsturz herbeizuführen. Aber die Folgen eines schlecht gezielten Einschlagens auf Afghanistan dürften noch mehr zur Destabilisierung Pakistans und anderer gemäßigter islamischer Länder beitragen. Der internationale Terrorismus erhielte einen starken Auftrieb. Auch in Afghanistan würde man die Bevölkerung zu einem Schulter-schluss mit dem Talibanregime zwingen. Wer dort konnte, hat die Städte verlassen. Das gilt für die Araber. Es gilt aber insbesondere auch für die führenden Taliban. Wenn man die zerstörten Städte nochmals zerstören will, straft man jetzt nur noch die Ärmsten der Armen dafür, dass sie eine Regierung haben, die sie nicht wollen. Osama kann man mit diesem Mittel ohnehin nicht ausschalten. Auch eine vorübergehende militärische Besetzung ganz Afghanistans bietet kaum eine Chance, den Araber tatsächlich aufzuspüren. Nach den historischen Erfahrungen der Briten und Russen verbietet sich diese Option ohnehin. Ein gezieltes Komman-dounternehmen zur Ausschaltung Osama bin Ladens müsste sehr gut vorbereitet sein, um eine Aussicht auf Erfolg zu haben. Es erforderte Zeit für die Vorbereitung, die man kaum noch hat. Man kann den amerikanischen Politikern und Militärs nur viel Weisheit und Einfallsreichtum wünschen. 

Auf keinen Fall wird man die Pest des Terrorismus dadurch beseitigen, dass man jede Gruppe von Fanatikern mit militärischen Mitteln vernichtet. Wenn sich die politischen Rahmenbedingungen nicht ändern, wird jede ausgeschaltete Gruppierung durch mindestens eine neue er-setzt werden. Langfristig hilft nur eine Politik, die dem Terrorismus die emotionalen Grundlagen und damit die Anhänger entzieht.

Eine andere Politik, insbesondere der USA, beträfe sicher nicht nur den Nahen Osten. Die USA tragen als die einzig verbliebene Weltmacht eine große Verantwortung für die gesamte Weltpolitik. Dieser Tatsache müssen sich die Amerikaner stellen. Man kann nicht auf wirtschaftlichem Gebiet die Globalisierung vorantreiben, politisch aber dem Isolationismus huldigen. Eine angemessene Rolle der USA in der Weltpolitik kann sich aber auch nicht darin er-schöpfen, den anderen zu sagen, wo es lang geht, ohne sich dabei um die Belange dieser anderen zu kümmern. Das erzeugt Gegenkräfte, die ihr einziges Ventil in Vandalismus, wie auf den Weltwirtschaftsgipfeln, und Terrorismus finden. Gerade die Regierung Bush hat in ihrer kurzen Amtszeit mit dem Ausscheiden aus der Weltklimadiskussion und mit der einseitigen Aufkündigung der Atomwaffensperrverträge unglaubliche Zeugnisse der Rücksichtslosigkeit gegenüber den Interessen anderer Länder gezeigt. Das erzeugt bei allen Völkern Vorbehalte und Verbitterung gegenüber den USA. Solche Brüskierungen anderer Länder können nicht im wohlverstandenen Interesse der Vereinigten Staaten liegen. Sie verschaffen allenfalls den Fi-nanziers des Wahlkampfes des Präsidenten einen kurzfristigen Vorteil. 

Um eine Politik zu betreiben, die auf die Probleme der anderen Länder Rücksicht nimmt, muss man „die anderen“ und ihre Sorgen, Absichten und Wünsche kennen. Leider dürften die furchtbaren Ereignisse von New York und Washington eher eine weitere Abschottung der USA von denen, die eigentlich bereit sind, Partner der USA zu sein, fördern. Sicherheit wird jetzt noch größer geschrieben werden. Soweit es darum geht, den Zugang zu Flugzeugen zu kontrollieren oder Großveranstaltungen abzusichern, ist das ja auch richtig. Aber Amerikaner, die im Ausland als Diplomaten, Geschäftsleute oder Entwicklungshelfer arbeiten, wurden schon bisher von Ihrer Regierung und deren „Security Community“ zu kuriosen Sicherheits-vorkehrungen gedrängt. Viele Amerikaner im Ausland hatten verinnerlicht, dass Kontakte zu den Bürgern ihrer Gastländer höchst riskante Abenteuer sind. Man beobachte nur, was sich derzeit in den verbliebenen Militärbasen und Wohngebieten der US-Streitkräfte in Deutsch-land abspielt! In Pakistan hielten es meine amerikanischen Freunde sogar im friedfertigen Islamabad für selbstverständlich, dass sie immer wieder einen anderen Weg zur Arbeitsstelle wählen und dass sie jeden Tag zu einer anderen Zeit ins Büro fahren. Diese Paranoia wird sich jetzt verschlimmern. Noch weniger „Einheimische“ werden erleben, dass Amerikaner, die in ihrem Land leben, Menschen wie du und ich sind. Vor allem aber werden die Amerika-ner noch weniger die Stimmung in ihren Gastländern wirklich kennen lernen. Aber nur durch persönliche Kontakte kann man mitbekommen, wie die Politik des eigenen Landes im Gast-land aufgenommen wird. Nur wenn man zahlreichen Kontakte zu den Menschen, unter denen man lebt, hat, erfährt man rechtzeitig, dass die Stimmung sich gegen das eigene Land wendet. Natürlich setzt man sich der Gefahr von Anschlägen aus, wenn man sich ungeschützt unter die Menschen mischt. Aber wenn man Freunde hat, für die man der „Sam“ oder der „John“ ist, wird man eher gewarnt und geschützt werden, als wenn man „der Amerikaner“ ist, der ein paar Häuser weiter wohnt, der von einem Sicherheitsdienst bewacht wird, dessen Personal ständig wechselt, und der sein Anwesen nur immer in einem riesigen Jeep verlässt. Vor allem aber können die amerikanischen Bürger, die wissen, wie die Stimmung in ihrem Gastland ist, der eigenen Regierung helfen, sich gegenüber diesem Land angemessen zu verhalten und die Folgen der eigenen Politik besser einzuschätzen.

Der Unwissenheit über die Zustände in anderen Ländern entspricht in den Vereinigten Staaten selbst die Unkenntnis über das, was sich in den Unterschichten der eigenen Bevölkerung und namentlich unter den Einwanderern abspielt. Einer großzügigen Einwanderungspolitik stehen mangelhafte Bemühungen um eine Integration dieser Einwanderer gegenüber. Auf die Tatsa-che, dass die furchtbaren Anschläge ganz wesentlich im eigenen Land vorbereitet wurden, wird man mit Sicherheit durch verschärfte Polizeimaßnahmen reagieren. Dabei wäre es nöti-ger, allen Menschen, die in den USA leben, das Gefühl zu geben, dass sie dazu gehören. Wer sich als Amerikaner fühlt oder wer in Amerika als willkommener Gast behandelt wird, plant keine mörderischen Anschläge auf beliebige Mitmenschen.

Natürlich trifft das alles nicht nur auf die USA zu. Auch wir sollten auf die Einsicht, dass wir ebenfalls bedroht sind, nicht in erster Linie durch einen Ausbau der Stärke und der Vollmachten von BND und Polizei reagieren. Auch wir müssen die Einwanderung in unser Land mit den Möglichkeiten der Integration der Einwanderer in Einklang bringen. Das offizielle Mulikulti-Gerede steht in krassem Gegensatz zu der Ausgrenzung, die Einwanderer und ande-re Ausländer bei uns erfahren.

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A view from Afghanistan
- by Tamim Ansary -
Seit dem 11. September 2001 befindet sich unsere Welt in einem Ausnahmezustand. Latente Beunruhigung macht sich breit. Spürbar ist das auch im Internet, wo u.a. eMails unterschiedlichsten Inhalts weitergeleitet werden und hunderte von Lesern erreichen. Die vorliegende Mail wurde uns von Michel Dragon zugeleitet und von Benjamin Zielke dnkenswetrer Weise in kürzester Zeit übersetzt. Hier bringen wir beides: Original und Übersetzung.

Dear Friends, 
The following was sent to me by my friend Tamim Ansary. Tamim is an Afghani-American writer. He is also one of the most brilliant people I  know in this life. When he writes, I read. When he talks, I listen. 
Here is his take on Afghanistan and the whole mess we are in.

-Gary T. 
 

Dear Gary and whoever else is on this email thread: 

I've been hearing a lot of talk about "bombing Afghanistan back to the  Stone Age." Ronn Owens, on KGO Talk Radio today, allowed that this would mean killing innocent people, people who had nothing to do with this atrocity, but "we're at war, we have to accept collateral damage. What else can we do?" Minutes later I heard some TV pundit discussing whether we "have the belly to do what must be done." 

And I thought about the issues being raised especially hard because I am from Afghanistan, and even though I've lived here for 35 years I've never lost track of what's going on there. So I want to tell anyone who will listen how it all looks from where I'm standing. I speak as one who hates the Taliban and Osama Bin Laden. There is no doubt in my mind that these people were responsible for the atrocity in  New York. I agree that something must be done about those monsters. 

But the Taliban and Ben Laden are not Afghanistan. They're not even the government of Afghanistan. The Taliban are a cult of ignorant psychotics who took over Afghanistan in 1997. Bin Laden is a political criminal with a plan. When you think Taliban, think Nazis. When you think Bin Laden, think Hitler. And when you think "the people of Afghanistan" think "the Jews in the concentration camps." It's not only that the Afghan people had nothing to do with this atrocity. They were the first victims of the perpetrators. They would exult if someone would come in there, take out the Taliban and clear out the rats nest of international thugs holed up in their country. 

Some say, why don't the Afghans rise up and overthrow the Taliban? The answer is, they're starved, exhausted, hurt, incapacitated, suffering. A few years ago, the United Nations estimated that there are 500,000 disabled orphans in Afghanistan--a country with no economy, no food. There are millions of widows. And the Taliban has been burying these widows alive in mass graves. The soil is littered with land mines, the farms were all destroyed by the Soviets. These are a few of the reasons why the Afghan people have not overthrown the Taliban. 

We come now to the question of bombing Afghanistan back to the Stone Age. Trouble is, that's been done. The Soviets took care of it already. Make the Afghans suffer? They're already suffering. Level their houses? Done. Turn their schools into piles of rubble? Done. Eradicate their hospitals? Done. Destroy their infrastructure? Cut them off from medicine and health care? Too late. Someone already did all that. 

New bombs would only stir the rubble of earlier bombs. Would they at least get the Taliban? Not likely. In today's Afghanistan, only the Taliban eat, only they have the means to move around. They'd slip away and hide. Maybe the bombs would get some of those disabled orphans, they don't move too fast, they don't even have wheelchairs. But flying over Kabul and dropping bombs wouldn't really be a strike against the criminals who did this horrific thing. Actually it would only be making common cause with the Taliban - by raping once again the people they've been raping all this time 

So what else is there? What can be done, then? Let me now speak with true fear and trembling. The only way to get Bin Laden is to go in there with ground troops. When people speak of "having the belly to do what needs to be done" they're thinking in terms of having the belly to kill as many as needed. Having the belly to overcome any moral qualms about killing innocent people. Let's pull our heads out of the sand. What's actually on the table is Americans dying. And not just because some Americans would die fighting their way through Afghanistan to Bin Laden's hideout. It's much bigger than that folks. Because to get any troops to Afghanistan, we'd have to go through Pakistan. Would they let us? Not likely. The conquest of Pakistan would have to be first. Will other Muslim nations just stand by? You see where I'm going. We're flirting with a world war between Islam and the West. 

And guess what: that's Bin Laden's program. That's exactly what he wants. That's why he did this. Read his speeches and statements. It's all right there. He really believes Islam would beat the west. It might seem ridiculous, but he figures if he can polarize the world into Islam and the West, he's got a billion soldiers. If the west wreaks a holocaust in those lands, that's a billion people with nothing left to lose, that's even better from Bin Laden's point of view. He's probably wrong, in the end the west would win, whatever that would mean, but the war would last for years and millions would die, not just theirs but ours. Who has the belly for that? Bin Laden does. Anyone else? 


Afghanische Perspektive
- von Tamim Ansary -
(übersetzt aus dem Englischen von Benjamin Zielke)

Liebe Freunde,
der folgende Text wurde mir von meinem Freund Tamim Ansary zugeschickt. Tamim ist ein afghanisch- amerikanischer Schriftsteller. Er ist außerdem einer der großartigsten Menschen, die ich in meinem Leben kenne. Wenn er schreibt, lese ich es, wenn er redet, höre ich zu. Hier ist seine Sicht über Afghanistan und dem ganzen Schlamassel in dem wir sind.

  Gary T.
 

Lieber Gary und wer immer sonst dies liest.

Ich habe viel Gerede darüber gehört, „Afghanistan zurück in die Steinzeit zu bomben“. Ronn Owens vom örtlichen Radiosender lässt zu, dass dies bedeuten würde unschuldige Menschen zu töten, Menschen, die nichts mit dem Verbrechen in New York zu tun hatten, aber „wir sind im Krieg, wir müssen Nebenschäden akzeptieren. Was sonst können wir machen?“ Ein paar Minuten später hörte ich ein paar Fernsehgelehrten darüber diskutieren, ob wir „den Mumm haben zu tun, was getan werden muss“.
Ich dachte über die Themen, über die diskutiert wurde besonders nach, denn ich bin aus Afghanistan und obwohl ich hier in den USA für über 35 Jahre gelebt habe, habe ich immer verfolgt was dort vorging. Ich möchte also jedem, der zuhört, erzählen, wie alles von meinem Standpunkt aussieht.
Ich spreche als jemand, der die Taliban und Osama Bin Laden hasst. Für mich besteht kein Zweifel, dass diese Menschen verantwortlich für das Kriegsverbrechen in New York sind. Ich stimme zu, dass etwas gegen diese Monster getan werden muss.
Aber die Taliban und Osama Bin Laden sind nicht Afghanistan. Sie sind nicht einmal die Regierung von Afghanistan. Die Taliban sind ein Gruppe von unwissenden Psychopathen, die Afghanistan 1997 erobert haben. Wenn du Taliban denkst, denk Nazis. Wenn du Bin Laden denkst, denk Hitler. Und wenn du „die Menschen von Afghanistan“ denkst, denk „die Juden in den Konzentrationslagern“. Es ist nicht nur, dass die Afghanen nichts mit diesem Kriegsverbrechen zu tun hatten. Sie waren die ersten Opfer dieser Übeltäter. Sie würden jubeln, käme jemand in das Land, der die Taliban wegnehmen würde und das Land von den Rattennestern der dort verschanzten internationalen Verbrechern säubern würde.
Manche fragen, warum die Afghanen nicht aufstehen und die Taliban umstürzen. Die Antwort ist, sie sind am verhungern, erschöpft, verletzt, entmündigt und sind am Leiden. Vor einigen Jahren haben die Vereinten Nationen geschätzt, dass es 500.000 behinderte Waisen in Afghanistan gibt – einem Land ohne Wirtschaft, ohne Nahrung. Es gibt Millionen von Witwen und die Taliban haben diese Witwen in Massengräbern lebendig begraben. Die Erde ist durchsetzt von Landminen, die Bauernhöfe sind alle von den Sowjets zerstört. Dies sind einige wenige der Gründe, warum die afghanischen Menschen das Talibanregime nicht umgestürzt haben.
Kommen wir nun zur Frage, Afghanistan zurück in die Steinzeit zu bomben. Das Problem ist, dies ist bereits geschehen. Die Sowjets hatten sich dem bereits angenommen. Soll man die Afghanen leiden lassen? Sie leiden bereits. Soll man ihre Häuser einebnen? Bereits geschehen. Ihre Schulen in einen Haufen Schutt verwandeln? Ebenfalls geschehen. Ihre Krankenhäuser vernichten? Ebenso geschehen. Ihre Infrastruktur zerstören? Sie von medizinischer und gesundheitlicher Versorgung abschneiden? Zu spät. Jemand anders hat bereits all das getan.
Neue Bomben würden lediglich die Schutthaufen früherer Bomben durchwühlen. Würden sie wenigstens die Taliban erreichen? Unwahrscheinlich. Im heutigen Afghanistan ißt nur die Taliban, nur sie haben die Mittel sich fortzubewegen. Sie würden wegschlüpfen und sich verstecken. Vielleicht würden die Bomben einige dieser verkrüppelten Waisen erwischen, sie bewegen sich nicht so schnell, sie haben ja nicht einmal Rollstühle. Über Kabul zu fliegen und ein paar Bomben abzuwerfen wäre kein wirklicher Schlag gegen die Verbrecher, die diese entsetzliche Sache gemacht haben. Eigentlich würde es nur die gleiche Sache machen wie die Taliban – indem es wieder einmal die Menschen der Gewalt aussetzt, die die Taliban schon die ganze Zeit der Gewalt ausgesetzt haben.
Was sonst gibt es also? Was kann man dann tun? Lass mich nun sprechen mit echter Angst und zitternd. Die einzige Möglichkeit Bin Laden zu bekommen ist, dorthin mit Bodentruppen zu gehen. Wenn Menschen davon sprechen, „den Mumm zu haben um zu tun, was getan werden muss“ denken sie daran, denn Mumm zu haben so viele zu töten wie notwendig, den Mumm zu haben, mit moralischen Bedenken fertig zu werden. Lass uns die Köpfe aus dem Sand ziehen. Was eigentlich anliegt, ist, dass Amerikaner sterben. Nicht nur deswegen, weil einige Amerikaner sterben würden, wenn sie sich durch Afghanistan zu Bin Ladens Versteck durchkämpfen. Die Sache ist viel größer als das. Um Truppen nach Afghanistan zu bekommen müsste man durch Pakistan gehen. Würden sie uns lassen? Unwahrscheinlich. Die Eroberung Pakistans müsste zunächst geschehen. Werden andere islamische Nationen einfach zuschauen? Siehst du worauf ich hinauf will? Wir flirten mit einem Weltkrieg zwischen dem Islam und dem Westen.
Und rate mal: das ist Bin Ladens Programm. Das ist genau was er will. Deswegen hat er es getan. Lies seine Reden und Aussagen. Es ist alles dort. Er glaubt wirklich der Islam würde den Westen besiegen. Es wirkt vielleicht lächerlich, aber er glaubt, dass wenn er die Welt in den Islam und den Westen polarisieren kann, er eine Milliarde Soldaten hat. Wenn der Westen in diesen Ländern dann einen Holocaust veranstaltet, dann sind das eine Milliarde Menschen, die nichts zu verlieren haben, was von Bin Ladens Standpunkt besser ist. Er liegt wahrscheinlich falsch, am Ende würde der Westen gewinnen, was immer das bedeuten würde, aber der Krieg würde Jahre andauern und Millionen würden sterben, nicht nur ihre sondern auch unsere. Wer hat den Mumm das zu tun? Bin Laden hat ihn. Irgend jemand anders?
 

Informationen über die Lebensverhältnisse in Afghanistan und weitere Links finden Sie hier: www.OFARIN.de

Pressemitteilung des Bundes-Presseamtes vom 21.9.2001:
Reaktion der Bundesregierung auf die Rede von US-Präsident Bush
Die Rede von Präsident Bush vor beiden Häusern des Kongresses am 20.09.01 bekräftigt die Entschlossenheit der US-Administration, mit Entschiedenheit gegen die Geißel des Terrorismus vorzugehen. Wir stimmen mit der Administration darin überein, dass es sich um eine langfristige Auseinandersetzung handelt, für die ein umfassender Ansatz erforderlich ist. Dazu gehören neben möglichen militärischen
Schritten politische, wirtschaftliche und geistig- kulturelle Aspekte sowie Fragen der Sicherheitszusammenarbeit.

Die Bundesregierung steht mit der US-Administration in laufendem Kontakt. Bislang hat die Administration keine konkrete Bitte um Unterstützung an die Bundesregierung gerichtet. Der Bundeskanzler hat wiederholt die Solidarität Deutschlands mit den Vereinigten Staaten zum Ausdruck gebracht. Dies schließt auch eine mögliche militärische
Unterstützung ein.


Regelmäßige Berichte von Dr. Peter Schwittek direkt aus Afghanistan 
ab Oktober 2001
finden Sie HIER

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