Die Riviera -
Badefreuden

-von Iris Kretschmer-Freitag



Riviera - der Klang dieses Wortes weckt noch heute in den Menschen Sehnsüchte nach Palmen, Meer, südländischen Düften von Zitronen- und Orangenblüten und natürlich nach Muße und Entspannung.
Schon 1874 kam die Zarin Maria Alexandrowna nach San Remo, in ihrem Tross russische Fürsten, die aus ihrer kalten Heimat in das milde Klima der ligurischen Küste flohen. Dort trafen sie auf reiche Engländer, die ihre kranken Lungen ausheilten, auf Bildungsbürger, Schriftsteller und Poeten aus ganz Europa. Noch heute erinnern eine Büste und eine Gedenktafel in deutscher Sprache an einer belebten Straße San Remos an den Tod des deutschen Kronprinzen Friedrich Wilhelm - bekannt als der 99-Tage-Kaiser Friedrich III, der voller Hoffnung als todkranker Mann vergeblich an der Riviera Heilung suchte und dort 1887 verstarb.
Die Italiener lieben ihre Riviera noch immer, zu erkennen an den vielen Appartementhäusern, die in den Küstenorten in den letzten 25 Jahren entstanden sind und hauptsächlich von stolzen Ruheständlern aus Mailand und Turin als Zweitwohnung benutzt werden, in den Sommerferien jedoch auch Kinder und Enkel beherbergen, so dass neben den Hotelgästen und Einheimischen die Appartementbesitzer mit ihrer Verwandtschaft den Strand bevölkern.



Und dann kann der Traum von der Riviera für einen gestressten deutschen Urlauber schnell ausgeträumt sein, denn im Juli und August kann jedenfalls am Strand von Ruhe keine Rede sein. Wer den Traum vom einsamen Barcadi-Strand träumt, sollte keinen Badeurlaub an der Riviera buchen. Doch die Mentalität der meisten Italiener scheint eine andere zu sein. Sie verabscheuen das freie Strandleben, das nur eines Handtuches und einer Tube Sonnencreme bedarf. Wer sollte denn auch an menschenleeren Stränden die neueste Bademode und das Goldgeschmeide der Signora bewundern, das selbstverständlich zum Badeanzug getragen wird.
Mit wem sollte man palavern und zwar stundenlang, oft bis zu den Knien im Wasser stehend.



Die Italiener begeben sich gerne an die sogenannten bagni in die Hände von Liegen- und Sonnenschirmvermietern, die eine der begehrten Lizenzen bei der Gemeinde für einen Strandabschnitt erworben haben und nun versuchen den Urlaubern den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen. Jeder Strandvermieter grenzt seinen Strandabschnitt durch kleine Zäune und durch die Farben der Liegen und Sonnenschirme vom Nachbarvermieter ab. Blumen werden als Blickfang in Massen an den Strand geschafft. Man befindet sich ja schließlich an der Blumenriviera.



Ab und zu trifft man auf ein freies Strandstück, den spazio libero, der aber hauptsächlich von lärmenden ragazzi bevölkert ist, und von keinem Italiener, der etwas auf sich hält, betreten wird. Die vorgelagerten Felsen bieten zu den angemieteten Liegestühlen von Zeit zu Zeit eine kostengünstige Alternative, entbehren aber jeglichen Komforts.



Doch zurück zu den bagni, wo man das familiäre buon giorno der Angestellten schätzt, die schon früh morgens den Strand geharkt, die Toiletten, Umkleide- und Duschkabinen gesäubert und die Aschenbecher auf den kleinen Tischchen unter den Sonnenschirmen geleert haben.





An der Wäscheleine hängt noch das Badetuch vom Vortag und das Schlauchboot sowie das Sandspielzeug der Kinder ist sicher in der eigenen abschließbaren Kabine verstaut und muss nicht jeden Tag aufs neue an den Strand geschleppt werden.
Im Mittelpunkt des Strandlebens steht jedoch die von jedem Vermieter betriebene Strandbar mit beschatteten Sitzplätzen, wo man sich mit gekühlten Getränken, Cappuccino, kleinen Snacks, Eisbechern und Tagesneuigkeiten versorgen kann.



Hier mietet man auch das Tretboot oder meldet die Kinder zum Schwimmkurs oder zur Betreuung an. Die Konkurrenz unter den Sonnenschirmvermietern ist groß, so dass man sich mit neuen Angeboten zu überflügeln versucht. Das Meer ist ruhig und flach, so dass eigentlich ein Pool überflüssig wäre, doch er ist vorhanden wie die Trimmgeräte.



Der Strandhandel, der hauptsächlich in nordafrikanischer Hand ist und eigentlich mehr Tinnef als sinnvolle Dinge bietet, erfreut sich größten Zuspruches. Vom original russischen Fernrohr aus Armeebeständen über gefälschte Gucci-Sonnenbrillen und Modeschmuck bis hin zu bunten Strandkleidern, die die fliegenden Händler aus großen Reisetaschen in den Sand schütten, erfreut sich alles großer Beliebtheit und wird begutachtet und gekauft.



Auffällig ist auch, mit welcher Höflichkeit die Ausländer von den Italienern behandelt werden.



Eine kleine Unterhaltung ist oft drin, auch wenn nichts gekauft wird.
Ein weiterer Service von allerdings zweifelhaftem Wirkungsgrad wird von asiatischen Masseuren angeboten, die ihre Klappliegen direkt am Wasser aufstellen und für umgerechnet 10 DM eine Rückenmassage anbieten. Die selbst ernannten Wunderheiler werden zumeist von älteren Italienerinnen aufgesucht, die ihre ganze Krankheitsgeschichte während der Massage unter den Augen von Duzenden anderen Badegäste loswerden können.



Für die Sicherheit sorgen die stark gebräunten Bademeister, die ihrer Aufgabe nicht immer mit voller Konzentration nachkommen können, da sie zu den umschwärmtesten Männern des Badestrandes zählen. Inzwischen stehen ihnen für Rettungsmaßnahmen schnelle Boote zur Verfügung, die jedoch selten zum Einsatz kommen, da die italienischen Badegäste nicht sehr weit rausschwimmen.



Trotz des Trubels haben die Kinder zum Spielen genügend Platz und Abwechslung und es wird ihnen nie langweilig. Wer meint, nur an dänischen Stränden könne man einen Drachen steigen lassen, der täuscht sich. Irgendwo findet man immer einen Platz für individuelle Aktivitäten. Das gilt auch für Surfer, Schnorchler und Taucher.

Nun ist man geneigt zu glauben, dass die Italiener nach einem lebhaften Strandtag sich abends auf ihre Terrassen oder Balkone zurückziehen. Weit gefehlt! Abends wird promeniert bis weit in die Nacht hinein, selbst mit den Jüngsten. Erholt wird sich offensichtlich hier auf eine andere Art und Weise. Diese Form des Urlaubs trifft sicher nicht jeden Geschmack und ist auch nicht individuell und auf Abenteuer abgestellt, aber amüsant und kommunikativ. Natürlich muss man sich darauf einlassen können.