Serie im LeineBlick von Dirk Schwarze:
Kleine Fluglärmkunde

Inhalt:
Alle haben Schallschutzfenster
Flugzeuge in der Nacht - Leise wie ein Eulenschlag
Die lauten Kracher fliegen nicht mehr
Kostet ein Nachtflugverbot Arbeitsplätze? Eher nicht!


Kleine Lärmkunde in mehreren Teilen - Teil 1:
Alle haben Schallschutzfenster
- von Dirk Schwarze -

Man kann es immer wieder in den Stellungnahmen des Flughafens lesen: Die Anohnerinnen und Anwohner des Flughafens haben hochwertige Schallschutzfenster, daher sei doch ein grenzenloser Nachtflug kein Problem. Leider informiert der Flughafen in dieser Angelegenheit nicht vollständig, da weite Bereiche in den An- und Abflugzonen diese Schallschutzfenster nicht haben. Die finanzielle Unterstützung des Flughafens beim Einbau der Schallschutzfenster war ein Kompromiß aus dem Streit um die Verlängerung der Nordbahn. Im Zuge dieses Kompromisses finanzierte der Flughafen im An- und Abflugbereich der Nordbahn zum Teil Schallschutzfenster. Der Ausdehnung des Programms lag der Gedanke zugrunde, daß der Nachtflug vornehmlich auf der Nordbahn abgewickelt werde. Eine gewisse Zeit war dieses auch der Fall. Seit die Südbahn mit einem Instrumentenanflugsystem ausgerüstet wurde, finden auch in der Nacht zahlreiche Flugbewegungen von der Südbahn aus statt. In dem An- und Abflugbereich der Südbahn gab und gibt es jedoch überwiegend kein Schallschutzfensterprogramm des Flughafens, mit der Folge, daß rund die Hälfte der Nachtflugbetroffenen nicht einmal in den umstrittenen Genuß der Schallschutzfenster kommen.
Neben dieser kuriosen Situation ist auch die Wirksamkeit der Schallschutzfenster umstritten. Sie wurden eingebaut, aber die Wirksamkeit nie überprüft. Merkwürdig ist, daß Messungen seitens der Aufsichtsbehörde nicht durchgeführt werden, obwohl immer wieder Streit über deren Wirksamkeit entsteht.
Im übrigen stellt sich natürlich die Frage, ob nicht ein Nachtflugverbot besser für die nächtliche Ruhe als ein Schallschutzfenster ist.
Wenn Sie mehr über den Fluglärm, seine Ursachen und Folgen wissen wollen, verfolgen Sie diese kleine Serie. Auch die Bürgerinitiative Garbsen und Umgebung (BIGUM) steht Ihnen gerne mit Rat und Tat zur Seite. Auch Sie sind zum nächsten Treffen am 06.02.03 um 20.00 im Gasthaus Thiele in Schloß-Ricklingen eingeladen.
Infos zum Fluglärm
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Teil 2 der kleinen Lärmkunde:
Flugzeuge in der Nacht - Leise wie ein Eulenschlag
- von Dirk Schwarze -
Leise wie einen Eulenschlag seien die Flugzeuge in der Nacht, so wurde vor einigen Jahren Zeit ein hochrangiger Vertreter des zuständigen Ministeriums zitiert. Wenn es doch nur so wäre!
Leider entwickeln die Flugzeuge in der Nacht einen erheblichen Lärm. Zahlreichen Anwohnerinnen und Anwohnern ergeht es in der einen oder anderen Nacht so: Aufwachen um 22:45, 0:30, 03:20, 04:15. Es stellt sich also die Frage, warum Flughafen bzw. die handelnden Personen am Flughafen und Ministeriumsvertreter Aussagen treffen über leise Flugzeuge treffen, andererseits aber die Anwohnerinnen und Anwohner dennoch durch nächtliche Überflüge geweckt werden. Der Flughafen hat schon aus seiner Sicht weitgehend recht, wenn er ausführt, es würden die Maschinen der leisesten Klasse fliegen. Zum Verständnis ist dafür die Kenntnis der Lärmklasseneinstufungen von Flugzeugen und deren Gestaltungsmöglichkeit zu beachten. Während der Nacht dürfen am Flughafen Hannover-Langenhagen nur Maschinen der sogenannten Bonusliste fliegen. Dieses sind Maschinen des Lärmkapitels 3, die besonders leise sein sollen. Diese Bonusliste hat jedoch gleich mehrere Haken.
Erstens stammen die Klassifizierungsmerkmale aus den 1970er Jahren, werden also den heutigen Anforderungen und auch technischen Möglichkeiten nicht gerecht. Die Bonuslistenmaschinen als besonders leise zu betrachten, käme beim Auto der folgenden Betrachtungsweise gleich: In den 1970er Jahren gilt ein Auto mit ungeregeltem Katalysator als besonders umweltfreundlich, da ja alle anderen Autos gar keinen Katalysator haben. Da man also zur damaligen Zeit das Auto als besonders umweltfreundlich eingestuft hat, wird es auch heute noch der besonders umweltfreundlichen Klasse zugeordnet. Das hört sich sehr kurios an, würde auch bei einem Auto nicht toleriert werden. Bei Flugzeugen gilt augenscheinlich ein anderer Maßstab. Dieser verschobene Maßstab sorgt schließlich dafür, dass rund 97% aller in Deutschland fliegenden Maschinen der Bonusliste zugerechnet werden, z.B. auch eine Boeing 747, die ja nun wahrlich nicht leise ist.
Zweitens gilt bei Flugzeugen nicht der absolute Lärmwert, sondern es gilt ein relativer Wert, der aus dem Verhältnis von Gewicht und dem Lärm der Maschine ermittelt wird. Aufgrund dieser Regelung dürfen große Flugzeuge lauter als kleine Maschinen sein, befinden sich aber dennoch in der gleichen Lärmklasse. Es kann sogar soweit kommen, dass eine kleine Maschine, die z.B. beim Überflug einen Wert von 70 dB/A erzeugt, einer lauteren Klasse zugeordnet wird, als eine große Maschine, die beim Überflug 78 dB/A laut ist. Auch wieder eine Regelung, die in anderen Bereichen nicht akzeptiert wird, wiederum z.B. beim Auto, denn es würde bedeuten, dass z.B. ein größerer Wagen mehr Stickoxide erzeugen dürfte als ein kleiner und dennoch genauso viel oder gar weniger Steuern bezahlen würde.
Drittens sind diese Einstufungen – freundlich ausgedrückt – gestaltungsfähig, wie jeden Tag im An- und Abflugbereich feststellbar ist. Entspricht eine Maschine, die sich an der Gewichtsgrenze von der kleineren zur größeren Klasse befindet, aufgrund sich verschärfender Vorschriften nicht mehr den Anforderungen, wird über kleine Umbaumaßnahmen das zulässige Startgewicht erhöht (siehe in einem der folgenden Beiträge: Wie aus lauten leise Flugzeuge gemacht werden?)
Viertens an diese bescheidenen Anforderungen hat sich der Flughafen in 2002 nicht einmal gehalten. Es wurden zahlreiche Flüge mit einer Boeing 737-800 absolviert, die nicht auf der Bonusliste genannt war. Sie fällt deshalb so auf, weil sie die derzeit lauteste Maschine ist, die in der Nacht eingesetzt wird. Der Flughafen und die Aufsichtsbehörden haben einfach folgende Regel angewandt: Die 737-800 ist ein besonders neues Flugzeug, daher ist sie leise und deshalb können wir auch vor der Aufnahme in die Bonusliste so tun, als wäre die 737-800 bereits in der Bonusliste aufgeführt. Eine solche Handlungsweise, auch noch von den Aufsichtsbehörden zumindest toleriert, lässt interessante Schlüsse auf das Beziehungs- und Interessengeflecht zu.
Fünftens hat diese Lärmklassifizierung zur Folge, dass in der Nacht prozentual mehr große Maschinen – also auch lautere – fliegen, als es tagsüber der Fall ist.
Sie möchten mehr über die Regeln am Flughafen Hannover-Langenhagen wissen, dann wenden Sie sich an die Bürgerinitiative Garbsen und Umgebung (BIGUM) z.B. per email: bigum@web.de
Mehr Lärm
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Kleine Lärmkunde in mehreren Teilen - heute Teil 3:
Die lauten Kracher fliegen nicht mehr
- von Dirk Schwarze -
Jahrelang war es eine geflügelte Argumentation: Warten Sie den 01.04.2002 ab, dann werden die besonders lauten Maschinen, die sogenannten Kapitel-2-Maschinen in der EU nicht mehr fliegen dürfen. Dadurch wird es erheblich leiser. Nun ist der Termin schon lange überschritten, dennoch hört man diese Maschinen noch immer. Was also ist passiert?
Es ist richtig, dass weniger sogenannte Kapitel-2-Maschinen den Flughafen ansteuern. Genaue Zahlen darüber werden leider nicht veröffentlicht. Wegen des Umfangs müssen wir also den Bericht des sogenannten Fluglärmschutzbeauftragten abwarten. Für alle Betroffenen stellt sich die Frage, warum fliegen diese besonders lauten Maschinen noch?
Das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig erteilt unter bestimmten Voraussetzungen Ausnahmegenehmigungen für diese besonders lauten Maschinen. Diese Ausnahmegenehmigungen sollen besondere Härten für betroffene Fluggesellschaften vermeiden. Die Härten für die lärmgeplagten AnwohnerInnen scheinen dabei keine Berücksichtigung zu finden. Einzelheiten über den Umfang und Gründe der Sondergenehmigungen sind leider nicht zu erfahren. Das Luftfahrtbundesamt verweigert im Hinblick auf die Vertraulichkeit, die Auskunft über die Genehmigungsverfahren. Übrigens teilt der Flughafen auf Anfragen mit, dass er über den Umfang der Genehmigungen nicht unterrichtet werde.
Außerdem führt auch das im letzten Artikel dargestellte System der Lärmklassifizierungen wiederum zu einer Begünstigung von lauten Maschinen. Bis zum 31.03.2002 flogen zahlreiche Maschinen des Typs TU-154, unzweifelhaft eine sogenannte Kapitel-2-Maschine. Seit dem 01.04.2002 taucht in den Listen ein neuer Typ, eingestuft als Kapitel-3-Maschine, nämlich die TU-154M. Auch dieses ist eine Folge davon, dass bei der Lärmbeurteilung eines Flugzeuges nicht der absolute, sondern nur der Lärmwert im Verhältnis zum Startgewicht maßgebend ist. Denn keinesfalls ist die TU-154M leiser als die TU-154, vielmehr hat sie durch geringfügige Änderungen ein höheres Startgewicht.
Sie möchten mehr über die interessanten Gestaltungsmöglichkeiten rund um den Fluglärm wissen, dann wenden Sie sich an die Bürgerinitiative Garbsen und Umgebung (BIGUM) z.B. per email: bigum@web.de
Mehr Tricks zum Fluglärm
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Kleine Lärmkunde - heute Teil 4:
Kostet ein Nachtflugverbot Arbeitsplätze? Eher nicht!
- von Dirk Schwarze -
Bei jeder Diskussion über den Fluglärm und mögliche lärmmindernde Maßnahmen wird seitens der Flughafendirektion neben dem Wirtschaftsfaktor Flughafen auf die Gefährdung von Arbeitsplätzen hingewiesen und als Totschlagargument eingesetzt. Insgesamt gibt der Flughafen rund 6.200 Beschäftigte für die Flughafen GmbH sowie die am Flughafen tätigen Firmen an. Selbst beschäftigt die Flughafen GmbH rund 1.300 Menschen. Weiterhin rechnet er sich 13.400 Arbeitsplätze bundesweit, davon rund 8.500 in Niedersachsen zu, die durch den Flughafen gesichert werden. Gerade die Bezüge zu den Sicherungseffekt für die 13.400 Arbeitsplätze ist nicht einmal ansatzweise nachgewiesen. Vielmehr beruhen diese Zahlen auf veralteten Gutachten, die u.a. auch zur Rechtfertigung von Ausbaumaßnahmen herangezogen wurden. Es ist schon verwunderlich, dass keine neueren Daten vorgelegt werden.
Bei allen Diskussionen über Arbeitsplätze z.B. durch ein Nachtflugverbot sollten auf jeden Fall nur die Auswirkungen dieser konkreten Maßnahme betrachtet bzw. überhaupt erst mal vom Flughafen dargelegt werden. Wohlweislich verzichtet der Flughafen darauf, da bei der Einführung von Nachtflugverboten in Bremen und Hamburg keine Arbeitsplätze abgebaut wurden. Auch die Nachtflugbeschränkung am Flughafen Stuttgart durch ein Lärmkontingent führte zu keinem Arbeitsplatzabbau.
Obwohl inzwischen anerkannt ist, dass Lärm eines der Hauptumweltprobleme unserer technisierten Welt ist, wird bei jeder Diskussion über den Fluglärm und mögliche lärmmindernde Maßnahmen immer noch seitens der Flughafenbetreiber auf die Gefährdung von Arbeitsplätzen hingewiesen. Dabei wird davon abgelenkt, dass Firmen, die über viele Jahre den Anschluss an eine dem Stand der Technik entsprechende Umwelttechnik verpasst haben, die größten Risikofaktoren für die Arbeitplätze sind. Viele Flughäfen mit einem Nachtflugverbot und wirksamen Anstrengungen zur Lärmreduzierung stehen wirtschaftlich besser als der Flughafen Hannover da. Das alte Totschlagargument "Umweltschutz vernichtet Arbeitsplätze" ist lange widerlegt und wird heute nur noch von denen benutzt, die von Ihren eigenen wirtschaftlichen Fehlleistungen ablenken wollen. 

Übrigens: Im technischen Wartungsbetrieb der Hapag-Lloyd werden z.Z. Arbeitsplätze abgebaut (siehe HAZ im Januar 2003), obwohl gerade die Arbeitsplätze in der technischen Wartung gegen ein Nachtflugverbot ins Feld geführt wurden.

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