Essay & Reportage im
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Thema:
Stammzellenforschung
Debatte: Der Standpunkt des Bundeskanzlers
Im Blickpunkt - Eine Mehrteilige Dokumentation von Claus-Peter Freitag



Stammzellenforschung - Argumente ders Bundeskanzlers:
Bundestag erlaubt die Einfuhr embryonaler Stammzellen unter strengen Voraussetzungen
Gerhard Schröder bei seiner Rede vor dem Deutschen Bundestag,

Foto: Julia Faßbender, Bundespresseam

Berlin, den 30.2.2002, bpd - Der Deutsche Bundestag hat am heutigen Abend beschlossen, zu Forschungszwecken unter strengen Voraussetzungen und Beschränkungen die Einfuhr embryonaler Stammzellen nach Deutschland zuzulassen. Der Entscheidung war eine dreieinhalbstündige sachliche Debatte vorangegangen.
Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte sich dabei gegen ein vollständiges Importverbotverbot für embryonale Stammzellen ausgesprochen.

Schröder sagte: "Ich denke, ein totales Importverbot von embryonalen Stammzellen und damit ein pauschales 
Forschungsverbot wären nicht nur unangemessen - ein Importverbot wäre auch verfassungsrechtlich nicht haltbar. Stammzellen, aus denen sich kein vollständiger Organismus mehr entwickeln kann, genießen keinen Grundrechtsschutz. Sehr wohl aber die Freiheit von Wissenschaft und Forschung. Wir tun gut daran, dieses Grundrecht zu verteidigen." Und
er fügte hinzu: "Das ist meine sehr persönliche Meinung."

In seiner Eigenschaft als Abgeordneter des Deutschen Bundestages kündigte Gerhard Schröder an, er werde daher bei der im Anschluss an die Debatte anberaumten Abstimmung für den Gruppenantrag stimmen, der
den Import embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken grundsätzlich verbieten, aber unter engen Voraussetzungen zulassen will (Gruppenantrag der Abgeordneten Böhmer, von Renesse und Fischer).

Zur Abstimmung standen daneben zwei weitere Anträge: einer, der den Import kategorisch ablehnt sowie ein dritter, nach dem der Import grundsätzlich erlaubt sein sollte.

Beweis für Verantwortungsbewusstsein der Wissenschaft

Gerhard Schröder rief dazu auf, Medizinern und Biologen, die Forschung an embryonalen Stammzellen betreiben wollen, nicht dunkle Motive wie Profitgier oder Geltungssucht zu unterstellen. "Diese Wissenschaftler haben ihre Forschungs- Tätigkeit in den Dienst ihrer Mitmenschen gestellt. Sie haben sich einer großartigen Aufgabe verschrieben, vielleicht der großartigsten überhaupt: Sie wollen anderen helfen, sie wollen Schmerzen lindern und Krankheiten heilen. Dafür haben Sie Anerkennung und Unterstützung verdient", sagte der Kanzler.

Gerhard Schröder sprach den Wissenschaftlern Anerkennung dafür aus, dass sie bislang darauf verzichtet haben, von ihrem - juristisch unbestrittenen - Recht zur Forschung an importiertem Zellenmaterial Gebrauch zu machen. Dieses Abwarten auf eine Verständigung in der Gesellschaft kennzeichne das Bemühen der Forscher, keine Fakten zu schaffen, die einem Konsens im Weg stehen könnten, betonte Schröder. Er werte dies als einen weiteren Beleg für das
Verantwortungsbewusstsein der Wissenschaft.

Keine neue Rechtslage, aber höhere Rechtssicherheit für die Forschung

Schröder wies darauf hin, dass der von ihm unterstützte Antrag keine neue Rechtslage schaffe, sondern lediglich zu mehr Rechtssicherheit führe. Zum internationalen Aspekt der Entscheidung äußerte Schröder die Überzeugung, "dass wir nur auf dieser Basis eine Mitsprachemöglichkeit auf internationaler Ebene behalten." Diejenigen, die den Import von embryonalem Stammzellenmaterial ganz verbieten wollen, müssten sich fragen lassen: "Wie geht man dann mit der Frage um, dass Therapien, die in anderen Ländern entwickelt worden sind, hier angewendet werden würden?" Er wies auch darauf hin, dass die Entscheidung für den Import keine Alternative zur weiteren intensiven Forschung und Arbeit an adulten Stammzellen sein solle.

"Natürlich rühren die mit der Gentechnik zusammenhängenden Fragen an Grundfragen des menschlichen Lebens und Zusammenlebens", erklärte Gerhard Schröder. Auf diese Fragen gebe es keine eindeutigen und wohl auch keine endgültigen Antworten. Daher teilten sich Befürworter und
Gegner der Stammzellforschung auch nicht nach links und rechts, nach Konfessionszugehörigkeit oder in Koalition und Opposition, so der Kanzler.

Zu Detailfragen der Stammzellenforschung lesen Sie bitte hier weiter.

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Im Blickpunkt:
Stammzellenforschung
- von Claus Peter Freitag -
Oktober 2001 - Seit Anfang dieses Jahres wird in der Öffentlichkeit sehr kontrovers und leidenschaftlich über die sogenannte Stammzellenforschung diskutiert. Erst vor einem Monat versammelte sich im niedersächsischen Landtag eine ganze Reihe prominenter Wissenschaftler aus der Medizin und angrenzenden Gebieten, aber auch aus der Theologie,  um die schwierigen medizinischen, rechtlichen und ethischen Fragen aus den Grenzbereichen der Biowissenschaften zu erörtern.

Dies Erörterung ist längst überfällig. - Eine sachlich richtige öffentliche Information und (ethische) Diskussion brennt auf den Nägeln, denn nicht immer ist die Berichterstattung über solche komplizierten Zusammenhänge befriedigend. So druckte die HAZ in ihrer Samstagsausgabe in den ersten Septembertagen eine DPA-Nachricht ab, nach der laut Deutscher Forschungsgesellschaft (DFG) aus embryonalen Stammzellen keine Babies entstehen können.
Hierzu ist zunächst zu sagen, dass Babies einzig und allein aus embryonalen Stammzellen entstehen können, woraus auch sonst. Allerdings nur aus totipotenten und nicht aus pluripotenten Stammzellen...

Unter diesen Bedingungen hat sich die Redaktion des  LeineBlicks entschlossen, etwas Licht in diesen Dschungel an neuen Begriffen, Phänomenen, Methoden und Theorien zu bringen. - Auch, wenn die aktuellen Weltereignisse wieder einmal alle Aufmerksamkeit absorbieren: Die Orientierung ist überfällig. 

Claus Peter Freitag, Philosoph und GermanistSo hat sich unser Autor, Claus Peter Freitag, schlau gemacht und wird in einer fünfteiligen Serie wichtige Informationen zum Thema Stammzellenforschung liefern. Hierbei kommt es dem Leineblick weniger auf Vollständigkeit und Differenziertheit   der Ergebnisse an als vielmehr auf Verständlichkeit der Darstellung und Zuverlässigkeit der Informationen an.

Im Einzelnen befassen sich die fünf Teile mit 

  1. einer Klärung dessen, was Stammzellen eigentlich sind, 
  2. den Möglichkeiten der Gewinnung von Stammzellen
  3. den Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin
  4. der momentanen rechtlichen Situation in Deutschland und 
  5. den moralischen Fragen der Stammzellenforschung

Teil I
Stammzellen

a) Was sind Stammzellen?

Stammzellen sind eine Art Ursprungszellen mit der herausragenden Fähigkeit zur Vermehrung und zur Differenzierung, das heißt sie geben den Anstoß zur Bildung aller möglichen Körperzellen, also Blut-, Nerven- und Muskelzellen, um nur einige zu nennen. Je nach dem, in welchem Entwicklungsstadium sich das Lebewesen jeweils befindet, unterscheidet man embryonaleStammzellen, fetale Stammzellen (aus dem Fötus, also ab der 8. Woche) oder adulte Stammzellen (vom Säugling, Kind, Erwachsenen). 
 

b) Totipotente, pluripotente und multipotente Stammzellen 
- eine wichtige Unterscheidung

Stammzellen lassen sich vielleicht am besten im Zusammenhang mit der menschlichen Entwicklung beschreiben. Nach der Befruchtung einer Eizelle durch eine Samenzelle entsteht eine Zelle, die das totale Potential zur Entwicklung eines vollständigen Lebewesens hat. Dieses befruchtete Ei ist also eine totipotente embryonale Stammzelle. Diese befruchtete Eizelle teilt sich in Folge in kurzer Zeit in eine Reihe identischer totipotenter Stammzellen, die, wenn sie in den Uterus einer Frau eingepflanzt würden, sich zu einem Lebewesen entwickeln können, falls die Umstände günstig sind. Bis zum Acht- Zell- Stadium sind alle Zellen des Embryos totipotent. 

Ungefähr vier Tage nach der Befruchtung und nach einer Reihe weiterer Zellteilungen beginnen diese totipotenten Zellen einen Spezialisierungsprozess: Sie bilden einen Hohlkörper bestehend aus einer äußeren Zellhülle und einem Zellbündel im Inneren, der sog. inneren Zellmasse. Dieses Entwicklungsstadium ist das der Blastozyste. Aus der äußeren Hülle der Zellen entwickelt sich im folgenden alles zu fötalen Entwicklung im Uterus wichtige Gewebe (u.a. die Plazenta) mit Ausnahme der für den späteren Fötus selbst notwendigen Zellen. Diese entwickeln sich nämlich ausschließlich aus den Zellen der inneren Zellmasse. Wichtig für alle weiteren, insbesondere auch ethischen Fragen, ist die folgende Feststellung. In diesem Stadium der Entwicklung, also dem Stadium der Blastozyste, sind die embryonalen Stammzellen bereits pluripotent, aber nicht mehr totipotent. Das heißt, sie ermöglichen zwar durch Zellteilung und Zelldifferenzierung die Herausbildung aller weiteren Körperzellen, aber aus ihnen kann kein eigenständiger Organismus entstehen. Wird also eine pluripotente embryonale Stammzelle aus einer Blastozyste in den Uterus einer Frau eingepflanzt, so kann daraus unter keinem Umstand ein Lebewesen entstehen; wird hingegen eine totipotente embryonale Stammzelle aus dem Acht-Zell-Stadium eingepflanzt, so kann daraus durchaus ein Lebewesen werden. Diese Unterscheidung dürfte für spätere ethische Fragen von Bedeutung sein.

Die pluripotenten embryonalen Stammzellen der Blastozyste entwickeln sich im Folgenden weiter zu spezialisierten Stammzellen, deren Teilung dann wiederum zu Zellen mit spezifischen Funktionen führen. So entwickeln sich aus den pluripotenten embryonalen Stammzellen dann Blutstammzellen, Nervenstammzellen etc. Diese bereits weiter differenzierten Stammzellen nennt man multipotente Stammzellen, weil sie weniger leisten als die pluripotenten, aber immer noch Entwicklungsschub geben für mehrere verschiedene Zelltypen. So entstehen ja aus den Blutstammzellen alle weiteren unterschiedlichen Blutzellen. 
 

c) Adulte Stammzellen

Adulte Stammzellen sind, wie embryonale Stammzellen, ebenfalls teilungsfähig. Ihr Nachweis ist bisher in 20 Organen des Körpers, darunter im Blut, im Knochenmark und im Gehirn, gelungen. Das Nabelschnurblut von Neugeborenen enthält ebenfalls adulte Stammzellen. Keine Stammzellen hat man bisher z.B. in der Bauchspeicheldrüse gefunden. Vor- und Nachteile der adulten Stammzellen für die Forschung und medizinische Verwertung werden im Teil über den Nutzen der Stammzellenforschung behandelt. Natürlicherweise sind adulte Stammzellen multipotent.

Der zweite Teil  unserer Serie zur Stammzellenforschung mit dem Thema: „Die Gewinnung von Stammzellen“  folgt in Kürze. 

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Embryonale Stammzellenforschung - Teil II:
- zum Anfang der Serie -
Methoden der Stammzellengewinnung
- von Claus Peter Freitag -
Nachdem wir in der letzten Woche darüber berichtet haben, was Stammzellen eigentlich sind, soll es in dieser Folge der Serie darum gehen, wie Stammzellen, insbesondere die wichtigen embryonalen Stammzellen pluripotenter Art, von den Forschern gewonnnen werden. Die Frage nach der jeweiligen Quelle der Stammzellen ist in der momentane Debatte über die Stammzellen- Forschung wichtig, weil die moralische Akzeptanz von Forschungswegen und -zielen davon abhängt. Je nach der Quelle der Stammzellen werden unterschiedliche ethische Gesichtspunkte bei der Debatte ins Feld geführt. Im Folgenden sollen nur die Methoden der Gewinnung embryonaler und fetaler Stammzellen vorgestellt werden, weil die Verwendung adulter Stammzellen ethisch nicht kontrovers diskutiert wird. 

Zur Zeit gibt es drei Möglichkeiten, pluripotente menschliche Stammzellenlinien zu gewinnen, wobei die dritte Möglichkeit zur Zeit (hoffentlich) noch nicht aktualisiert worden ist. Unterschieden werden die Gewinnung der Zellen aus befruchteten Eiern, die bei der künstlichen Befruchtung (In-Vitro- Fertilisation = IVF) anfallen, aus abgetriebenen Feten und mit des Methode des Zellkerntransfers. 

A.   Zuerst gelang es wohl Professor James Thomson, einem Veterinär des Primaten- Forschungszentrums von der Universität Wisconsin in den USA menschliche embryonale Stammzellen zu isolieren. Thomson gewann die Zellen dadurch, dass er sie direkt aus der inneren Zellmasse von Humanembryos im Stadium der Blastozyste extrahierte. Die Blastozyste im 4-6-Tagestadium wiederum hatte er aus befruchteten Eiern kultiviert, welche nach der IVF nicht zur Verwendung gekommen sind. Diese Embryos wurden nicht zu Forschungszwecken hergestellt, sondern für die künstliche Befruchtung unfruchtbarer Paare. 
Nach dem Entfernen der äußeren Schale extrahierte Thomson die Zellen der inneren Zellmasse und gab sie zur weiteren Reproduktion/ Teilung in ein spezifisches Nährmedium. So wurden die ersten pluripotenten Stammzellenlinien produziert.

B. Einen anderen Weg ging, mit wohl gleichem Ergebnis, der Gynäkologe John Gearhart von der Hopkins University School of Medicine. Gearhart gewann auf einem etwas komplizierteren Wege die embryonalen Stammzellen, die allerdings eigentlich fetale Keimzellen sind. Diese sogenannten premordialen Keimzellen werden dem Gewebe von abgetriebenen Föten entnommen und ähneln  (nach gegenwärtigem Kenntnisstand) den embryonalen Stammzellen in allen relevanten Gesichtspunkten. Die Extraktion wird vorgenommen bei einem abgetriebenen Fötus im 5-6- Wochenstadium. Die prämordialen Keimzellen werden der Region des Fötus entnommen, die später zur Entwicklung des Hodens bzw. des Eierstocks führt. Die Zellen sind aber noch im 46-Chromosomenstadium und die Differenzierung in Ei- bzw. Samenzellen mit je 23 Chromosomen hat noch nicht stattgefunden. Exakt in diesem Stadium werden die Zellen entnommen, zum Nährmedium gegeben und zu pluripotenten Stammzellen entwickelt, die den embryonalen Stammzellen, wie gesagt, in relevanter Hinsicht gleichen.
Wichtig für die spätere ethische Einschätzung dieser Methode ist natürlich grundsätzlich die Quelle der Zellen, hier also der durch Abortus gewonnene Fötus.

C. Die dritte Möglichkeit der Gewinnung von Stammzellen wird als somatischer Zellkerntransfer (SCNT = somatic cell nuclear transfer) bezeichnet. Diese Methode soll beim sogenannten „Therapeutischen Klonen“ Anwendung finden.
Hierzu wird (bisher nur im Tierversuch) eine Eizelle entkernt, so dass nur das gesamte für eine embryonale Entwicklung nötige Nähr- und Energiematerial übrigbleibt. Unter  komplizierten  Laborbedingungen wird dann eine Verschmelzung dieser entkernten Eizelle mit dem genetischen Material (sprich dem Kern) einer Körperzelle (- geeignet ist alles , was keine Samen- oder Eizelle ist-) herbeigeführt. Es entsteht eine totipotente Stammzelle, die sich unter günstigen Bedingungen weiter teilt und zur Blastozyste entwickelt, deren inneren Zellmasse wiederum pluripotente embryonale Stammzellen entnommen werden können.


Gewinnung von pluripotenten Stammzellen aus befruchteten Eiern von In-Vitro- Fertilisation (A), durch Zellkerntransfer (C) und aus abgetriebenen Föten (B)
Es versteht sich von selbst, dass alle drei geschilderten Methoden außerordentlich aufwendige, teuere, schwierige und komplizierte Laborverfahren voraussetzen, die zur Zeit wohl noch mehr Rückschläge als Erfolge zeitigen. Im Prinzip sind das aber die technisch praktikablen Möglichkeiten der Stammzellengewinnung. Welche Vorteile für die Wissenschaften und die medizinische Versorgung der Menschen die Forscher sich hiervon versprechen, soll Gegenstand der nächsten Folge der Serie „Stammzellenforschung“ sein.
- zum Anfang der Serie -
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Embryonale Stammzellenforschung - Teil III:
- zum Anfang der Serie -
Anwendungsmöglichkeiten in der Medizin
- von Claus Peter Freitag -
Bereits am 27. September tagte der nationale Ethikrat unter Präsident Spiros Simitis zum zweiten Mal. Mehrheitlich hat sich dieses Beratergremium wohl dazu durchgerungen, dem Import von Stammzellen zuzustimmen. Noch immer gibt es keine offizielle Erklärung des Rates – so schwierig gestaltet sich wohl die Diplomatie der ausgewogenen Formulierungen. Immerhin steht ein Drittel der Expertenrunde, unter ihnen der Präsident, dem Forschungsvorhaben skeptisch gegenüber. Bis zum 7. Dezember, dem Tag an dem die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) aller Voraussicht nach den Startschuss für die deutsche Stammzellenforschung geben wird, ist also noch Zeit zum Nachdenken. Das Thema heute:

Nutzen der Stammzellenforschung am Beispiel der prospektiven Anwendungsmöglichkeiten

Nachdem in den ersten beiden Teilen der Serie thematisiert wurde, was Stammzellen eigentlich sind und mit Hilfe welcher Prozeduren sie zu gewinnen sind, soll es im heutigen dritten Teil darum gehen, welche potentiellen Anwendungen der Ergebnisse der Stammzellenforschung von den Biowissenschaften in Betracht gezogen werden. 
Im Prinzip gibt es zwei große Bereiche, in denen die Stammzellenforschung große Erwartungen schürt. Zum einen könnte sie wichtige Einsichten in die zellulären Fundamente des Lebens geben, zum anderen sollten ihre Ergebnisse unmittelbar der Heilung vieler Krankheiten dienen.

A.) Biowissenschaftliche Grundlagenforschung 
Zunächst einmal sollte deutlich werden, dass die Stammzellenforschung unabhängig von allen praktischen, d.h. medizintechnischen und therapeutischen Möglichkeiten, die sie vielleicht einmal bieten wird, eventuell Aufschlüsse über grundlegende Prozesse bei der Entstehung und Entwicklung menschlichen Lebens geben kann. 
Die Erforschung der Stammzellen könnte uns zu Einsichten in die komplexen und bisher noch weitgehend unbekannten genetischen Zusammenhänge führen, die das menschliche Leben regulieren. Vordringlichstes Interesse der Forscher dürfte dabei sein, eben jene noch völlig unklaren Vorgänge und Faktoren zu identifizieren, die bei zellulären Entscheidungsprozessen eine Rolle spielen, die die Zellspezialisierung steuern. 
Es ist bekannt, dass viele schwere Krankheiten, unter ihnen auch die Krebserkrankungen, zurückzuführen sind auf oder zumindest Hand in Hand gehen mit abnormalen Zellteilungen. Unbekannt ist aber, was die Zellen im einzelnen dazu bringt, ihren irregulären Wege einzuschlagen. Ein Verständnis dieser abnormalen Zellentwicklungen setzt natürlich ein Wissen um die regulären Zellprozesse voraus. 

B.) Der Transplantationskomplex
Eine weitreichende Anwendungsmöglichkeit der Stammzellenforschung könnte darin bestehen, Zellen und Zellgewebe für das zu erzeugen, was man heute die „Zelltherapie“ nennt. Viele Krankheiten sind heute dadurch im Ansatz beherrschbar, dass zerstörtes oder krankes Gewebe im Rahmen von Transplantationen ausgetauscht wird. Diese technische Lösung ist einerseits von der chirurgischen Medizin schon weit vorangetrieben, hat aber auf absehbare Zeit ihre Grenzen darin, dass die Zahl der transplantations- bedürftigen Menschen immer die Zahl der zur Verfügung stehenden Spenderorgane weit übertrifft. 
Viele dieser Krankheiten beruhen darauf, dass der reguläre Zellteilungsprozess gestört ist und /oder Zellgewebe schon soweit zerstört ist, dass ein Organ seine natürlichen Funktion nur noch eingeschränkt erfüllen kann. Hier nun greift die Stammzellenforschung ein. Pluripotente Stammzellen könnten durch geeignete Methoden dazu gebracht werden, sich zu spezialisierten Zellen zu entwickeln, etwa Herzmuskelzellen, und so Herzgewebe zu produzieren. Dieses außerhalb des Körpers entwickelte Gewebe, im Idealfall ein ganzes Organ, könnte dann auf transplantationstechnischem Wege dem Empfänger eingepflanzt werden. 
Im Prinzip  - auch wenn hier sicher noch viel Zukunftsmusik erklingt -  sind hier dem Bereich möglicher Anwendung keine zur Zeit erkennbaren Grenzen gesetzt. Diese Erzeugung, Entwicklung und Transplantation von Zellgewebe werden, so darf vermutet werden, einmal so schlimme Krankheiten wie Parkinson, Alzheimer, Arthritis, Blutkrankheiten, AIDS, Krebs, Diabetes sowie Geburtskrankheiten heilen.
Ganz grundsätzlich muss hier natürlich das Problem der Gewebeverträglichkeit und der Immunabwehr gelöst werden, was wohl auch nur auf dem Wege genetischer Forschung zu leisten sein wird. Folgende zwei Szenarien sind hier denkbar:

  1. Zum einen wäre eine „Universal-Spenderzelle“ denkbar die mit jeder Empfängerzelle verträglich wäre. Die Gene innerhalb der Spenderzelle müssten verändert werden, die für die Proteine auf der Zelloberfläche zuständig sind, an denen wiederum die Empfängerzelle die neue Zelle als fremd erkennt und den Abwehrmechanismus in Gang setzt.  Da die Eingriffe in die DNA hier sehr massiv wären, wird dieser Variante zur Zeit keine große Chance gegeben. 
  2. Die zweite mehr Erfolg versprechende Variante zur Umgehung der Immunproblematik besteht darin, eine entkernte Eizelle mit dem genetischen Material einer Zelle des Empfängers zu versehen, also der Prozess des sogenannten „therapeutischen Klonens“ zu versuchen. Dabei würde außerhalb des Körpers Gewebe produziert, dass genetisch kompatible (histokompatibel) ist, d.h. man schafft Gewebe vom identischen Genotyp (zum Zellkerntransfer siehe auch Teil II. C.)
Inwieweit all dies Zukunftsmusik darstellt, ist vom Laien nicht zu beurteilen. Bedenkt man aber, dass beinahe alle wissenschaftlichen Entwicklungen der Neuzeit in der Regel wesentlich schneller verlaufen, als ihe Betreiber dies für möglich halten, so dürfen wir auf Einiges gefasst sein. Der im Teil II. unserer Reihe als Stammzellenpioneer vorgestellte John Gearhart von der Hopkins-Universität geht davon aus, dass die Forschung in drei bis fünf Jahren soweit sein wird, dass sie durch Versuche an Patienten ins Stadium der klinischen Erprobung treten wird. Allerdings warnt der Forscher vor falschen und überzogenen Erwartungen, von denen er mitunter kuriose Exempel erhält. Auf seiner letzten Vortragsreise durch Europa erhielt er von vermutlich viagramüden Männern Hunderte von Anfragen, ob er stammzellenproduzierte Penisse liefern könnte. Hierzu sein Hinweis: „This is traced to a broad misconception of what can and can`t be done with stem cells, but the idea that we could actually supply this was one of the most bizarre.”
Die nächste Folge unserer Stammzellenserie wird einen Überblick über die momentane Rechtssituation im Umgang mit Stammzellen liefern. 


 

Stammzellenforschung  Teil IV
- zum Anfang der Serie -
Garbsen, den 6.1.2002 Nach den Stellungnahmen der Enquete-Kommission „Recht und Ethik der modernen Medizin“ vom 12. November und des nationalen Ethikrates vom 29. November hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) ihren Bescheid zum Forschungsvorhaben Brüstle/Wiestler (siehe unten), der für den 7. Dezember angekündigt war, noch einmal zurückgestellt. Und zwar mindestens bis zum 31. Januar, um der Bundestagsdebatte am Tage vorher nicht vorzugreifen. Bundestagsbeschlüsse, die die möglichen Veränderungen der Gesetzesgrundlagen zur Stammzellenforschung betreffen, sind dann im Februar zu erwarten; Zeit genug also, sich kurz die momentane Rechtslage vor Augen zu führen.
 
 

Zur rechtlichen Situation der Stammzellenforschung
- von Claus Peter Freitag -

In Deutschland regelt das Embryonenschutzgesetz (EschG) aus dem Jahre 1991 die Behandlung der Embryonen. Dieses Gesetz verbietet die Herstellung und Verwendung von Embryonen zu einem anderen Zweck als dem der Schwangerschaft. Jedwede Manipulation auch an extrakorporal erzeugten Embryonen ist verboten, soweit sie nicht deren Erhalt dient. 
In Deutschland gibt es zur Zeit eine kontroverse Diskussion darüber, inwieweit das EschG Modifizierungen, Erweiterungen oder Präzisierungen benötigt für jene Fälle, die bei seiner Verabschiedung 1991 noch nicht bedacht worden sind. Dies betrifft auch die Arbeit mit und an embryonalen Stammzellen (ES), mit deren Erforschung hochrangige therapeutische Ziele verknüpft sind (vgl. Stammzellenforschung Teil III ). 
Dabei besteht ein Konsens dahin gehend, dass die Herstellung von Embryonen extra zu Forschungszwecken, das therapeutische und reproduktive Klonen und das gezielte Eingreifen in die Keimbahn (vgl. Stammzellenforschung Teil II) verboten bleiben müssen. Kontrovers diskutiert wird hingegen, ob die Forschung an sog. „überzähligen“ Embryonen unter bestimmten Bedingungen und der Import von Stammzellen aus Embryonen und die Forschung an ihnen ermöglicht werden sollten. Überzählige Embryonen sind dabei solche, die nach ihrer in-vitro-Fertilisation keine Verwendung finden, z.B. weil die Empfängerin aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr schwanger werden darf oder weil sich bei dem Paar, etwa aus Gründen der Trennung, der Kinderwunsch erledigt hat.
Beides, der Import von Stammzellen und die Forschung an solchen überzähligen Embryonen sind vom EschG nicht verboten, aber nur, weil es nicht geregelt ist. Insofern müsste oder sollte der Gesetzgeber hier nachbessern.

Konkreter Anlass für die Aktivitäten der DFG, des nationalen Ethikrates und der Enquete-Kommission war ein beim DFG eingegangener Förderungsantrag für ein Projekt der Bonner Wissenschaftler Oliver Brüstle und Otmar Wiestler, die 200.000 DM für ihre Forschung und Entwicklung von  Nervenzellen aus embryonalen Stammzellen beantragt haben. Die DFG, die sich unter der Leitung ihres Präsidenten Ernst- Ludwig Winnaker grundsätzlich für eine verbrauchende Forschung an importierten ES und für die Gewinnung von ES aus überzähligen Embryonen ausgesprochen hat, wollte die Bewilligung dieses Forschungsvorhabens abgesegnet haben und wartete deshalb auf die Beschlüsse des nationalen Ethikrates und der Enquete-Kommission. Da die beiden Gruppen nun allerdings zu unterschiedlichen Beschlüssen gekommen sind, hat die DFG ihre Förderungsentscheidung noch einmal vom 7. Dezember auf den 31 Januar verschoben. 
 Die Enquete-Kommission für „Recht und Ethik der modernen Medizin“ ist vom Bundestag einberufen worden und soll die Gesetzgebung vorbereiten helfen. Sie ist mit 26 Mitgliedern besetzt, von denen die eine Hälfte Bundestags- Abgeordnete und die andere fachwissenschaftliche Experten sind. Am 12 November dieses Jahres entschied sich diese Kommission mit 2/3-Mehrheit gegen den Import embryonaler Stammzellen.
Anders der nationale Ethikrat, der am 29 November seine ausführliche Stellungnahme zur Importfrage der ES dem Bundeskanzler zuleitete. Er legte dabei vier Positionen dar:
 

  • Option A: Der Import von ES aus überzähligen Embryonen wird –unter strengen   Bedingungen- befürwortet, da er ethisch unbedenklich ist.
  • Option  B: Der Import wird zugelassen – allerdings mit strikter zeitlicher Befristung (3 Jahre). Bis dahin muss der Bundestag entschieden haben.
  • Option  C: Der Import wird nicht erlaubt, bis der Gesetzgeber eine grundsätzliche Regelung erzielt hat.
  • Option D: Der Import ist grundsätzlich verwerflich, weil er die Instrumentalisierung menschlichen Lebens bedeutet.


Das Abstimmungsergebnis im nationalen Ethikrat sah wie folgt aus:
15 x Option B ( davon würden auch 9 für Option A stimmen)
10 x Option C ( davon würden auch 4 für Option D stimmen)

Erwarten wir mit Spannung und Interesse die Bundestagsdebatte Ende Januar, über die der LeineBlick natürlich wieder kompetent berichten wird.

Stammzellenforschung  Teil V
- von Claus Peter Freitag -
- zum Anfang der Serie -
Garbsen, den 26.4.2002 Nachdem der Bundestag am 31.1.02 entschieden hat und im zweiten Wahlgang mit einer Mehrheit von 340 Stimmen dem eingeschränkten Import embryonaler Stammzellen zu Forschungszwecken zugestimmt hat, wurde am gestrigen Donnerstagabend (25.4.2002) dieser Beschluss in einer neuen Gesetzes- Verabschiedung verankert. Grundsätzlich gilt der Stammzellenimport nun als verboten, kann aber unter Umständen durch das Bundes- Gesundheitsministerium doch ermöglicht werden. 
Voraussetzung hierfür ist u.a. die Berücksichtigung eines sogenannten Stichtages und zwar darf der Embryo nur importiert werden, wenn er vor dem 1.1.2001 gewonnen wurde. Damit will der Gesetzgeber verhindern, das speziell für deutsche Forschungszwecke  im Ausland Embryonen getötet werden. Insgesamt kann die gesetzliche Regelung nun als vorläufiger Schlusspunkt einer langen Debatte um die Stammzellenforschung gesehen werden, um die es nun ruhiger werden wird. Diese Gelegenheit soll genutzt werden, um im fünften und letzten Teil der Serie zur Stammzellenforschung einen Blick auf die ethische Dimension zu werden. 
 

Ethische Fragen der Stammzellenforschung

Die grundsätzliche Frage, auf die sich die zahlreichen Kontroversen in der Stammzellendebatte  der letzten Jahre zurückführen lassen, dürfte lauten: Darf die Forschung Embryonen verbrauchen und dürfen Embryonen zu Forschungszwecken hergestellt werden? Um diese Fragen in einer ethisch befriedigenden Weise zu beantworten, muss, so lautet die einhellige Ansicht der Beteiligten, zunächst der ethische Status des Embryos bestimmt werden. Und hier ist die Grundüberlegung, welche die Verantwortlichen in dieser Debatte immer in zwei Lager teilt, die, ob dem Embryo Menschenwürde und damit auch das unverletzliche Grundrecht des Lebens zuerkannt werden soll/muss. 
(Auf der Ebene ethischen Denkens  liegt hier ein konzeptuelles Problem vor, kein faktisches. Dieses konzeptuelle Problem wird mit einer Wertentscheidung verbunden. Keine wissenschaftliche Forschung welcher Art auch immer kann die Frage klären, ob der Embryo ein Person mit Menschenwürde ist.  Im strikten Sinne ist bereits die Frage, ob der Embryo eine Person ist, unsinnig; wir können sinnvollerweise nur fragen, ob wir ihn als eine solche sehen wollen.)
Die Gegner der verbrauchenden Embryonenforschung sehen sich im Einklang mit den Werten  des abendländischen Humanismus und in der christlichen Tradition, wenn sie davon ausgehen, dass der Embryo Menschenwürde besitzt. Mit unterschiedlichen Gewichtungen rekurrieren sie in der Regel auf eine oder beide der folgenden Denkfiguren, die man als Speciesargument und als Potenzialitätsargument  bezeichnet.
  1. Die Gewinnung von totipotenten Stammzellen aus einem Embryo löscht dessen Leben aus. Embryonen gehören aber zur Species „Homo sapiens“ und genießen als solche das gleiche Grundrecht auf Leben und dieselbe Menschenwürde wie ein geborener Mensch. Folglich, so das Speciesargument,  ist die verbrauchende Embryonen- Forschung  ethisch nicht gestattet.
  1. Da sich ein Vier- oder Achtzellhaufen signifikant von einem Menschen unterscheidet – er hat werder ein Bewusstsein, noch Empfindungen, noch irgendeine Eigenschaft mit einem Menschen gemein – ist das Speciesargument nicht für alle überzeugend. Deshalb wird ihm oft das Potenzialitätsargument zur Seite gestellt: Selbst wenn der Embryo noch keine Person darstellt, aus dessen aktuellen Eigenschaften sich Menschenwürde und damit Lebensrecht ableiten ließen, so kommt ihm beides dennoch zu, weil sich aus dem Embryo ein Mensch entwickeln wird. Also begründet sein potenzielles, erwartbares Menschsein in diesem Fall die Zuschreibung der Rechte und der Würde und verbietet die verbrauchende Embryonenforschung. 


Wie stellt sich diese Problematik nun für den Befürworter der verbrauchenden Embryonenforschung dar, den es natürlich in sehr unterschiedlichen und differenziert argumentierenden Formen gibt? Nun, er wird in der Regel einen der folgenden Gedanken äußern:

  1.  Natürlich gehört der Embryo zur Species „Homo sapiens“, da aus ihm unter guten Bedingungen der Entwicklung ein Mensch wird, sonst nichts. Aus dieser richtigen biologischen Specifizierung lassen sich aber keine Normen herleiten, die seinen ethischen Status betreffen. Die Philosophen sprechen hier von einem naturalistischen Fehlschluss, wenn aus einem Ist-Zustand auf einen Soll-Zustand geschlossen wird. Also ist die Zuschreibung von Lebensrechten allein auf der Basis der Specieszugehörigkeit unzulässig, eine Ansicht, die sich auch mit der Abtreibungspraxis verträgt. Verbrauchende  Embryonenforschung wäre auf der Basis dieser Überlegungen also ethisch nicht unzulässig.
  2. Auch die zweite Argumentationsfigur arbeitet ex negativo und versucht zu zeigen, dass  das Potenzialitätsargument der Gegner nicht haltbar ist: Auch der Gegner der Embryonenforschung gibt ja mitunter zu, dass der Embryo im frühesten Stadium nichts erlebt, nicht subjektiv verletzbar ist etc, was bei einem Achtzeller auch sinnvollerweise nicht angenommen werden kann. Die Tötung im Rahmen der verbrauchenden Embryonenforschung würde den Embryo also nicht aktuell schädigen durch die Beendigung seines jetzigen Zustandes, sondern allenfalls dadurch, dass sein zukünftiger, potentieller Zustand verhindert würde. Ein Verbot der Tötung würde ihn nicht um seiner selbst willen schützen, sondern um seins zukünftigen Status willen. Ein solches Tötungsverbot kann also nicht in der gleichen Weise durch den Bezug auf die Menschenwürde und das Recht auf Leben begründet werden, wie dies bei einer erwachsenen Person natürlich der Fall sein muss, die ja um ihrer selbst willen unbedingt zu schützen ist. 
  3. Sicherlich, so argumentieren die Befürworter der Forschung bei ihrem eigenen starken Argument, sollten wir Embryonen dennoch Schutzrechte zusprechen, wenn auch nicht das subjektive Grundrecht, das das Töten unter allen Bedingungen kategorisch verbietet, sonst wäre unsere Abtreibungspraxis ja auch nicht im Ansatz haltbar. Der Schutz eines lebendigen Potenzials, das zu unserer Species gehört, kann auch im Sinne einer Solidaritätspflicht begründet werden. Der Embryo würde dann geschützt als ein hohes Gut, nicht als eine Person und nicht als Träger subjektiver Grundrechte. Und solche Solidaritätspflichten wären dann bei der Stammzellenforschung abzuwägen gegen andere hochrangige Pflichten, wie etwa der Pflicht, alle Forschungsanstrengungen einzugehen, die möglich sind, um heute unheilbar Kranken Hoffnung auf Heilung oder zumindest Linderung ihrer Leiden zu geben. In diesem Sinne hätte dann für die Befürworter der Forschung die Pflicht zur Hilfeleistung , die nur durch die Verfolgung der therapeutischen Ziele der Stammzellenforschung möglich wäre, Vorrang vor der Schutzpflicht gegenüber den Embryos. Verbrauchende Embryonenforschung ist in dieser Denkfigur also geboten (eo ipso auch erlaubt). 


Die Gegner der embryonalen Stammzellenforschung bemühen häufig ein weiteres Argument, dessen Status aber noch etwas unklar ist, wie wohl es ein entscheidendes Argument sein könnte. Es ist das sogenannte Dammbruchargument: Wir stehen am Anfang einer biotechnischen Entwicklung, deren Richtung, Reichweite und Veränderungskraft nicht abschätzbar ist. Öffnen wir hier mit Genehmigungen im  Bereich der Stammzellenforschung vorschnell Türen, die wir hinterher nicht mehr schließen können, so kann es zu eben dem „Dammbruch“ kommen, der uns in eine biotechnische Zukunft treiben wird, die wir nicht wollen können: eine Zukunft in einer Welt der Klone ohne Menschenwürde. 
Zur Beurteilung dieser Problematik taugt aber unser ethisches Rüstzeug zur Zeit noch nicht. Es ist auch zu bedenken, dass Dammbruchargumente zu allen Zeiten von allen Bedenkenträgern immer wieder gegen Neuerungen ins Feld geführt wurden, auch gegen jene, die sich im Nachhinein als positiv für die Menschheit ausnehmen. 


 
 
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