Das Mühlviertel-
eine fast vergessene Landschaft

-von Dr. Waltraud Meyer-Kriechbaum-



Es gibt Sie noch - fast weiße Flecken auf der Tourismuslandschaft mitten in Europa, vor unserer Haustür sozusagen. Eine Gegend ohne Hotelburgen, ohne Animateure, ohne Touristenströme und überhöhte Preise. Das Mühlviertel ist eines der vier Viertel Oberösterreichs und liegt zwischen Donau und Böhmerwald, zwischen Bayrischem Wald und dem Waldviertel Niederösterreichs. Geologisch ist es eine Granitlandschaft, abgeschliffen und geformt in der Eiszeit. Immer noch sind große Granitblöcke als sogenannte Wackelsteine oder "Schwammerlsteine" zu bewundern und bilden häufig den Anlass für alte Sagen und Geschichten, in denen meist der Teufel die Steine geschleudert hat, die dann so liegen geblieben sind. Die Höhen zwischen 500 und 800 Meter Seehöhe machen die Landschaft zu einer armen Region, es gibt kaum Getreideanbau, höchstens ein wenig Hafer oder Roggen. Meist werden Kartoffel (Erdäpfel) angebaut oder ein wenig Viehzucht betrieben.


Die Menschen hier sind arm, sie haben kleine Höfe, die meist im Nebenerwerb bewirtschaftet werden. Eine ganze Familie ist von den paar Kühen, Schweinen und Hühner nicht zu ernähren. So fährt der Mann in die nächste Großstadt nach Linz und arbeitet dort in der VOEST oder Chemie und nach der Schicht geht es in den Stall und aufs Feld. Das karge Leben der Menschen in dieser rauen Gegend hat für den Touristen allerdings seinen Reiz. Die Bauernhöfe liegen verstreut in der Landschaft, dazwischen Wiesen und Wälder, kleine Bäche und Wege. Die Gegend ist hügelig, kaum ein Stück des Weges ist eben. Auch wenn es keine hohen Berge ( der höchste Berg ist der Sternstein mit 1.200 Höhenmetern) zu erklimmen gibt, der Wanderer kommt hier voll auf seine Kosten und er kommt ins Schwitzen beim ständigen bergauf und bergab.

Trotzdem bleibt ihm reichlich Zeit, die Landschaft und seine Schönheit in vollen Zügen zu genießen. Und immer wieder überquert er kleine Bäche, sie fließen meist ungehindert in vielen Windungen Richtung Donau und sind durch das eisenhaltige Gestein braun gefärbt. Hier können Kinder Staudämme bauen, Bäche umleiten und... und..... Viele alte Mühlen sind in den letzten Jahren wieder instand gesetzt worden und zu besichtigen, so zum Beispiel ist der 7 - Mühlen - Weg bei Reichenthal zu erwandern.


Ach ja, der Name Mühlviertel kommt nicht von den Mühlen am Wegesrand, sondern von den zwei Bächen, die große und die kleine Mühl, die sich durchs Mühlviertel schlängeln.

-Essen und Trinken im Mühlviertel


Schon lange vor BSE und Maul- und Klauenseuche hat man sich im Mühlviertel auf Tradition besonnen und vermarktet geschickt das, was der karge Boden liefert. Immerhin wirtschaften in Österreich 10% aller Bauernhöfe nach biologisch- ökologischen Gesichtspunkten, davon wiederum 10% sind im Mühlviertel daheim. Schon früh haben die Bauern hier erkannt, dass sie innerhalb der EU nur in Nischen existieren können. Viele haben wieder angefangen alte Haustierrassen und zu züchten, sie bauen Wildkräuter für Tees an, backen wieder Brot wie ihre Großmütter, stellen wieder selbst Käse, Rahm (Sahne) und Topfen (Quark) her und verkaufen all diese Köstlichkeiten entweder direkt vom Hof oder in kleinen Absatzgemeinschaften. Bauernmärkte in den kleinen Städten oder im nahen Linz sind seit vielen Jahren heiß begehrt und jeder Städter schwört wieder auf "seinen" Bauern, von dem er all diese Naturprodukte bezieht. Auch die Gastronomie hat die Bedeutung ihrer bäuerlichen Nachbarn entdeckt und bezieht einen Großteil der Produkte für die Küche vom Bauern nebenan. Viele Speisekarten weisen darauf hin, wer Eier, Brot und Schnaps erzeugt hat. So kann man nach einer langen oder auch kurzen Wanderung einkehren und sich in einer sogenannten Jausenstation stärken. Hier gibt es Speck ( Schinken), der häufig selbst geräuchert wurde, dazu selbst gebackenes Brot, Butter und Käse. Dazu trinkt man am besten Most, das landestypische Getränke, das die Bauern aus dem Mostobst - also Äpfel und Birnen von nicht veredelten Bäumen - herstellen. Zur Stärkung gibt es einen Schnaps, der auch von vielen selbst gebrannt wird, wobei verschiedene Sorten häufig gemischt werden oder er wird aus Zwetschken, Vogelbeere oder Kriecherl ( ähnlich Renekloden) hergestellt. So eine gemütliche Jausenstation ist das Schanzenstüberl nördlich von Bad Leonfelden. Wer gut und landestypisch essen will, kommt im "Stadtwirt" in Freistadt auf seine Rechnung, eine alte Gaststube, ein ambitionierter Koch und Besitzer und eine freundliche Bedienung machen das Essen zur Freude. Hier sollte man Mühlviertler Knödel, Schweinsbraten und Stöckelkraut probieren, dazu gehört natürlich ein Freistädter Bier! Oberhalb von Bad Leonfelden liegt die Waldschenke, in der man gut essen und trinken kann und dabei von der Terrasse einen herrlichen Blick genießen kann.

Für müde Knochen werden hier auch Zimmer angeboten. Sollte man einen längeren Aufenthalt in der Waldschenke planen, sind ausgedehnte Wanderungen ein Muß - bei der Küche! Ganz ähnlich ergeht es Gästen beim Keplingerwirt in St. Johann am Wimberg.Die Wirtin hat sich inzwischen 2 Mützen erkocht und rangiert unter den Spitzenköchen Österreichs weit oben (wußten Sie übrigens, dass es in Österreich im Verhältnis zur Einwohnerzahl die meisten Spitzenköche gibt?). Frau Keplinger kocht mit viel Phantasie und Liebe und wenn man ihre Künste im Sommer im kleinen Biergartl genießen kann, fehlt nichts mehr zum Glück! Der Wirt gehört zu den oberösterreichischen Landhotels, bietet Zimmer an und hat für seine Gäste immer wieder Spezialangebote bereit.


Nicht sehr weit davon liegt ein weiteres Spitzenlokal, der Mühltalhof in Neufelden. Er liegt wirklich im Tal der Mühl, unterhalb des Ortes und ist ein Haus mit langer Familientradition. Hier kann man sich rundum verwöhnen lassen, neben einer exellenten Küche, bietet das Haus schöne Zimmer, eine Sauna und eine Reihe von Sportmöglichkeiten in der angestauten Mühl direkt vor dem Haus. Hier gilt also - wer hier verhungert oder durstet, hat selber Schuld!


-Das Mühlviertel - eine alte Kulturlandschaft



Neben körperlicher Betätigung, Essen und Trinken bietet das Mühlviertel auch geistige Nahrung. Viele kleine Kirchen, schöne und gepflegte Orten, Burgen und Klöster laden zum Besuch ein, wollen entdeckt und erkundet werden. Daneben gibt es eine Vielzahl von Marterl, kleine steinerne Zeugnisse von Volksfrömmigkeit, die an Wegen stehen und manchmal eine kleine Geschichte erzählen. So das, das am Wanderweg von der Glasau nach Zwettl von dem Bauern, der an "Schlagfluss" mitten auf dem Weg gestorben ist, seine braven Pferde zogen den Wagen mit dem Toten zurück zu seinem Hof. Auffallend sind die vielen gotischen Kirchen - in dieser armen Gegend fehlte das Geld, um in der Zeit der Gegenreformation die Kirchen Barock umzubauen. So sind herrliche Kreuzrippengewölbe wie zum Beispiel in Hellmonsödt oder Hirschbach, ein wunderschönes Schlingrippengewölbe in Königswiesen zu entdecken. Fast in jedem Ort lohnt es, die häufig restaurierten Pfarrkirche zu besuchen, alte Taufsteine, gotische Figuren, aber auch alte Grabsteine zeugen vom wieder erwachten Kunstsinn und Stolz der Bewohner. Ein besonderes Juwel ist der gotische, geschnitzte Hochaltar in Kefermarkt, den unter anderen Adalbert Stifter im 19. Jahrhundert vom Holzwurmbefall rettete. Nach wie vor ist ungeklärt, wer diesen großen und beeindruckenden Altar geschaffen hat.


Gleich in der Nähe ist Schloss Weinberg, inzwischen zu einer Bildungsstätte umgebaut, in deren Innenhöfen jedes Jahr ein weithin bekannter Adventmarkt stattfindet. Ein Kleinod besonderer Güte ist die Stadt Freistadt, immer noch umgeben von einer alten Stadtmauer, durch die man nur durch Stadttore gelangt. Im Inneren der Mauer sind noch viele alte, inzwischen liebevoll restaurierte Häuser zu bewundern.

In der Nähe des Stadtplatzes, einer der schönsten im Mühlviertel, befindet sich das alte Schloss. Man sollte sich die Zeit zum Besuch des Heimatmuseums nehmen, das im Turm untergebracht ist. Über viele Treppen wird der Besucher über die Geschichte des Mühlviertels und seiner Bewohner informiert, bis er endlich im Türmerzimmer angelangt ist. Direkt oberhalb von Freistadt liegt St. Peter, eine gotische Kirche und eine Kalvarienbergkirche, zu der ein Kreuzweg steil von Freistadt aus hinauf führt. Eine Mauer begrenzt das Gelände und zeugt davon, dass die Zeiten hier nicht immer so friedlich waren.


Einen Besuch lohnt das Kloster Schlägl, ein Zisterzienserkloster von stattlicher Größe, das viele Kunstschätze birgt. Die Stiftssammlungen, vor allem die Gemäldegalerie mit Gemälden von Altdorfer, Maulpertsch, dem Kremser Schmidt , Corregio, Veronese und anderen, gehören zu den bedeutendsten überhaupt. Viele Ruinen zeugen von der strategischen Bedeutung dieses Gebietes, immer wieder zogen Heerscharen raubend und plündernd durch das Mühlviertel. Gleich am Beginn des Haselgrabens liegt die Ruine Wildberg, nach wie vor im Besitz der Starhembergs, einem der ältesten Geschlechter Österreichs. Hier wurde der böhmische König Wenzel im 14. Jhdt. vier Wochen lang gefangen gehalten. Es gibt viel zu entdecken hier im Mühlviertel, wer genau hinsieht, entdeckt Geschichten und Geschichte, die all diese alten Gemäuer erzählen.
nach oben